Die Besteuerung der afrikanischen Bevölkerung war ein erstes, entscheidendes Kriterium für die Durchsetzungsfähigkeit des kolonialen Staates. Diese Steuern wurden in der Regel als pauschale Kopf- oder Hüttensteuern erhoben und ähnelten weniger einem modernen Steuersystem als vielmehr der Tributpflicht in vormodernen Gesellschaften – ein Vergleich, den auch viele AfrikanerInnen zogen, die auf vielfältigste Art versuchten, sich der Besteuerung zu entziehen.
[Links nur für registrierte Nutzer] Die Steuererhebung des kolonialen Staates geriet zunehmend ins Zentrum der Kolonialpolitik, weil sie direkt oder indirekt auf ökonomische und soziale Veränderungen der afrikanischen Gesellschaften zielte. So war für die Kolonialverwaltung neben der Summe der erhaltenen Steuern auch wichtig, dass diese mit Geld und nicht mittels Sachleistungen beglichen wurden, denn nur so konnte die afrikanische Bevölkerung zumindest teilweise aus einer familiären Ökonomie herausgezogen und in eine vom Kolonialstaat und europäischen Privatleuten und Firmen dominierte, monetarisierte Marktwirtschaft eingebunden werden, entweder als Marktproduzenten oder – aus Sicht der Kolonialverwaltung noch erstrebenswerter – als Lohnarbeiter. In einigen Kolonien konnte daher auch die Steuerlast durch Vorlage einer Arbeitsbescheinigung verringert werden. Besonders in den Siedlerkolonien des südlichen Afrikas und in Kenia ging es dem Kolonialstaat darum, vor allem die afrikanischen Männer in einen vom Kolonialstaat reglementierten Lohnarbeitsmarkt zu zwingen,
[Links nur für registrierte Nutzer] in dem die Löhne auch deshalb niedrig bleiben konnten, weil in der Regel die Lohnarbeit der Männer durch eine von in den Dörfern zurückbleibenden Frauen betriebene landwirtschaftliche Subsistenzproduktion ergänzt wurde. Hieraus wird auch deutlich, dass die Besteuerung auch Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse innerhalb der afrikanischen Gesellschaften hatte. Da besonders in den ersten Jahrzehnten der Kolonialherrschaft zumeist nur Männer besteuert wurden, konnten sich für Frauen vielleicht vorübergehend Gelegenheiten ergeben, unbelasteter als die Männer in der kolonialen Geldökonomie zu agieren, wenn sie zum Beispiel auf den Märkten von den Steuereintreibern unbehelligt blieben.
Langfristig aber trug die koloniale Besteuerung maßgeblich dazu bei, dass afrikanische Männer analog zur bürgerlichen Kleinfamilie Europas jener Zeit zu alleinigen Familienoberhäuptern auch im ökonomischen Sinne wurden und die starke eigenständige Rolle von afrikanischen Frauen in der Ökonomie vor allem ideologisch in Frage gestellt wurde. Diese Entwicklung entsprach auch dem von den christlichen Missionen propagierten Familienmodell.
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