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Thema: Das Ehrenamt. Unterstützen Ehrenämtler den Staat?

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  1. #41
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    Standard AW: Das Ehrenamt. Unterstützen Ehrenämtler den Staat?

    Zitat Zitat von Rudi Rollmops Beitrag anzeigen
    Fortsetzung folgt in Beitrag #171

    Hier die Fortsetzung aus Beitrag #170:


    (....) Ebenso kritisch sieht die Autorin Claudia Pinl in ihrem vor Jahren erschienen Buch "Freiwillig zu Diensten", indem Frau Pinl eine m.E. wichtige politische Analyse des Gegenstandes von Freiwilligenarbeit und Ehrenamt versucht.

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    Obwohl solche kritischen Analysen seit Jahren zugänglich sind, leugnen große Teile der Politik die hier erkennbaren Kritikpunkte. Immer noch wird der Mythos einer gelingenden sozial verträglich aufgestellten Bürgergesellschaft beschworen und die vielen sozialen Probleme verschwiegen, die in dieser Gesellschaft in ungesund wachsender Tendenz zu beobachten sind, wenn man nicht gerade quadratmetergroße Scheuklappen bevorzugt. Die Rede des Herrn Oberbürgermeister in seinem verlinkten Grußwort beschwört eine Idylle, die wir so nicht haben und eigentlich nie hatten und deren Beschwörung mir angesichts der sich verschärfenden sozialen Spannungen unverantwortlich und feige erscheint. Ich erkenne hier einen politisch blinden Fleck, den sich auch ein Wiesbadener Oberbürgermeister nicht leisten darf, denn Wiesbaden mag nette Ecken haben und um ein positives Image bemüht sein, aber wo es Licht gibt, kann es auch Schatten geben - auch in Wiesbaden:

    "In Wiesbaden ist die Arbeitslosigkeit mit 7,3 Prozent höher als in Mainz, Darmstadt oder Frankfurt. Bei Wiesbadenern ohne deutschen Pass liegt die Quote sogar bei über 15 Prozent. Grundsätzlich wächst Wiesbaden, die Geburtenrate steigt. Wohnraum ist knapp, Familien ziehen weg, aber es wird neu gebaut und Bauland ausgewiesen. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist besonders deutlich. Einerseits gibt es Villenviertel und teure Geschäfte, andererseits wächst mehr als jedes vierte Kind in Armut auf."

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    In Wiesbaden wachsen laut den Ergebnissen einer im Auftrag der Stadt Wiesbaden in Auftrag gegebenen und in Zusammenarbeit mit der Uni Mainz erstellten Grundschulstudie rund ein Drittel der ca. 10 Jahre alten in Wiesbaden ansässigen Kinder in Armut bzw. Familien mit prekären Einkommen auf.

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    Die benannte Studie ist zwar nicht mehr taufrisch, aber angesichts eines stabil ausgeweiteten Niedriglohnsektors, sinkenden Reallöhnen und steigenden Mieten dürfte die benannte prekäre Lage sich keinen Deut entspannt haben. Und daran werden auch Ehrenamt und Freiwilligenarbeit nichts ändern können, weil

    a) in diesen Bereichen meist nur an den Symptomen
    gesellschaftlicher Probleme und Anforderungen gedoktert wird (= die Ursachen bleiben)

    b) ehrenamtliche Arbeit oft missbraucht wird, um staatliche Kosten für gesellschaftlich nützliche bzw. notwendige entlohnte Arbeit zu sparen, das kostet Erwerbsmöglichkeiten und verschärft Erwerbslosigkeit und Armut.

    c) Freiwilligenarbeit und Ehrenamt auf Grund der in a) und b) benannten Umstände inzwischen
    ein verbreitetes schlechtes Image, geringe Akzeptanz und Wertschätzung sowie Inanspruchnahme erfahren.

    Herrn Gerichs Einsatz für das Ehrenamt erscheint mir angesichts dieser Umstände als nutzlose Sisyphusarbeit, die auch tapfer in Endlosschleifen erbracht keine Wirkung zeigen wird.:

    Zu den Aktionen der Freiwilligentage werden vermutlich wie immer in niederer dreistelliger Anzahl (2017: 188 Teilnehmer/innen) vorwiegend diejenigen kommen, die schon immer mal was freiwillig getan haben. Sollte diese Vermutung stimmen, dann dürften kaum neue Aspiranten für das Ehrenamt gewonnen werden. Die. die kommen machen dann einen Tag etwas, das durchaus sinnvoll wäre, wenn die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen stimmen würden - das tun diese nur leider nicht.
    Es wird wie immer ein paar nette Bilder von fröhlichen Menschen gebe, die vielleicht einen privaten netten tag hatten, aber in den diesbezüglichen Presseerklärungen wird das putzig kleine Event ähnlich wie im Grußwort des Bürgermeisters als gesellschaftlich relevant aufgeblasen.

    Was diese einer Realsatire gleichkommende Bauchnabelschau verkennt:

    188 Teilnehmerinnen (2017) versus 277.819 Wiesbadener Einwohner/innen (Stand 31.12.2016) am Freiwilligentag 2017 lassen nach Adam Riese eine Beteiligung von gerade einmal 0,06755 % der Wiesbadener Bürgerschaft am Freiwilligentag 2017 erkennen.

    Es geht ok, dass ganz alte Opas und Omas, Kranke, überlastete Eltern und hart arbeitende Menschen nicht kommen konnten/wollen, aber dieser Wert von weniger als einem Promille Beteiligung der Wiesbadener Bevölkerung an dem benannten Freiwilligentag lässt diesen als bedeutungslos erscheinen. Angesichts dieser lächerlich geringen Beteiligung täten sich sowohl die Organisatoren als auch der Herr Oberbürgermeister gut daran, deutlich weniger hochtrabend diesen Aktionstag zu promoten. Wer in den besagten 0,06755 % Beteiligungsgrad einen Erweis dafür erkennen will, dass in der heutigen Gesellschaft "das Ehrenamt ein wesentliches Element von Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung" wäre, lässt ein gestörtes erotisches Verhältnis zur Wahrheitsliebe erkennen.

    Ich plädiere dafür, dass beide Akteure im Verbund der gesamten Politik sich lieber effizient für die Erstellung und Förderung der Rahmenbedingungen verwenden, die für eine sozial gerechte und gelingende Gesellschaft unabdingbar sind. Von einem solchen Einsatz hätten wir alle mehr, als dass mit den letzten Überresten eines marodierenden Ehrenamtsbereiches den Trümmern einer asozialen neoliberalen Politik hinter geräumt wird. Für das letztere sind sich die meisten Menschen in diesem Land inzwischen zu schade und das ist gut so. Wer das verleugnet macht sich lächerlich.

    Leider finden wir in Politik, Wirtschaft, der Gesellschaft und deren einzelnen Teilen (z.B. Kirchen. Verbände, Gewerkschaften etc.) immer mehr eine vielfache Verleugnung relevanter Problematiken in pathologischer Form. ich sehe das als Folge einer Politik, die Armut zulässt und befördert, die höchst verantwortlich dafür wirkt, dass immer mehr Menschen in Deutschland wegen mieser Einkommenssituation via schlecht entlohnter Arbeit, geringfügiger Beschäftigung, niedriger Rente und H-4 sehr bescheiden leben müssen, während kleine Eliten die ganz dicken Reichtümer abfeiern. Armut angesichts dieses Gegensatzes von arm und reich ist eine Schande für alle die diesen unnötigen Gegensatz zulassen, totschweigen oder gar schönreden.

    Mir geht es um eine Kritik an dem vielen feigen Weggucken von den Problemen bzw. dem Leugnen derselben. Es ist Geld genug da, um Armut zu bekämpfen und dieses Land sozial zu entwickeln. Das verkennt Herr Gerich in seinem aktuellen Grußwort, wenn er rhetorisch fragen will, wie arm "unsere schöne Stadt ohne Engagement und Ehrenamt" wär. denn er verkennt mit seinem dicken Gehalt als OB wie viele Menschen allein in der von ihm regierten schönen Stad arm sind und das nicht erst seit gestern. Das kann man wissen, das muss man wissen, wenn man einen Oberbürgermeister mimen will, der in der Besoldungsgruppe B 10 verortet immerhin ein Grundgehalt von 11 528,73 Euro/Monat in 2015 erhielt.

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    Deshalb finde ich es alles andere als bewundernswert, sondern nur noch sterbenslangweilig, unehrlich und nutzlos, wenn ein so satt bezahlter OB es "bewundernswert" finden will, wie viele Wiesbadenerinnen und Wiesbadener ehrenamtlich aktiv sind und sich engagieren. Viele Ehrenamtler werden schamlos ausgenutzt und das obwohl genug Geld für alle da wäre. Wer etwas anders behaupten will lügt und sollte sich was schämen. Entweder hat Herr Gerich bezogen auf die hier angesprochenen Sachverhalte keine Ahnung bzw. will keine Ahnung haben oder er redet wider besserem eigenen Wissen die Unwahrheit in seinem benannten Grußwort Jede dieser 3 Optionen sehe ich als untauglich für einen Menschen, der den Oberbürgermeister einer nicht ganz kleinen Stadt Stadt mimen will, die von nicht ganz kleinen sozialen Problematiken betroffen ist. Für ein Grundgehalt von 11 528,73 Euro/Monat (2015) dürfen wir mehr erwarten.

    Ich erwarte keine Wunder, sondern dass wir ehrlich, fair und gerecht miteinander umgehen. Das ist kein Ding der Unmöglichkeit und nur das kann die viele Ungerechtigkeit stoppen, unter der so viele Menschen unsinnig leiden müssen.

    Mit freundlichen Grüßen, Thomas Schüller

    P.S. Diese Kritik wird verschiedentlich im Internet veröffentlicht:

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    Geändert von Rudi Rollmops (17.03.2019 um 13:12 Uhr)

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