Ein interessantes Thema! Bedenkt man, daß die absolute Mehrheit nicht einmal lesen, geschweige denn schreiben konnte, sind Bewegungen wie die Katharer, Waldenser, Hussiten usw. umso erstaunlicher - aus heutiger, m.E. ungerechtfertigt arroganter Perspektive betrachtet.
Bevor ich diese Gedanken vertiefe, möchte ich einen "Sprung" zum Übergang in die Renaissance machen, da das bereits angesprochen wurde.
"Jedenfalls war es kein Zufall, daß gleichzeitig an so vielen Fronten das menschliche Wissen einen so plötzlichen Sprung vorwärts tat, so als hätte es in den Büchereien der Alten die Kraft wiedergefunden, die Natur, ihre "Maschine" und ihre "Gesetze" unvoreingenommen zu betrachten.
Die Philosophie des 15. Jhd. hatte in begeisterten Worten dazu aufgefordert, die Natur und den Menschen wiederzufinden; sie hatte oft mehr mit Hymnen als mit Argumenten die Übereinstimmung von Makrokosmos und Mikrokosmos gefeiert; Vergil zitierend hatte sie von dem "Geist" gesprochen, der die Welt "durchdringe", und von der freien Kraft des Menschen. Nikolaus von Cues und Pico della Mirandola hatten das Unendliche in uns und außer uns gepriesen. Leonardo hatte behutsam auf die "menschliche Maschine", auf die "physische" Übereinstimmung von Mensch und Welt hingewiesen."
(Eugenio Garin, Die Kultur der Renaissance)