Der Dienst ist in einem schlichten Zweckbau in einem Neuköllner Hochhausviertel untergebracht, neben „Kaufland“, einer Dienststelle der Post, gegenüber einem Parkplatz. Innen rotes Linoleum, im Boden verschraubte Metallsitze im Wartebereich, eine alleinstehende Grünpflanze. Bei einer Kollegin von Gögelein sitzt im Besprechungszimmer eine junge Frau. Ihr hübsches Gesicht hat sie unter Schichten von Make-up verborgen.
[Links nur für registrierte Nutzer] Der Lidschatten violett. Sie ist gerade erwachsen und weiß nicht mehr weiter.
Meistens könne sie sich nicht überwinden, irgendwas zu machen, erzählt sie. Verbringe Tage und Nächte mit dem Smartphone im Bett. „Ich stalke die ganzen hübschen Mädels“, sagt sie, auf Youtube und Instagram. Sie sieht sich schöne Frauen an und vergleicht sich mit ihnen. Und findet sich hässlich. So hässlich, dass es sie lähmt. Dass sie die Wohnung nicht mehr verlässt, alleine nicht mal zum Arzt gehen würde. „Andere haben Krebs“, sagt sie, „und ich mach’ mir Sorgen um mein Aussehen“, ergänzt sie entschuldigend.
Die junge Frau hat gerade einen Aufenthalt in einer Klinik für psychische Probleme hinter sich. Zum Gespräch hat sie ihre Mutter mitgebracht. Die Mutter sagt, seit ihre Tochter wieder zuhause sei, gehe es ihr täglich schlechter.
„Körperdismorphe Störung“, kurz KDS, nennt sich das Phänomen, oder auch „Dysmorphophobie“, wenn die Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren das Fühlen und Denken und den Alltag beherrscht.