Wieder ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich Gesellschaften sein können. In Peru sind fast alle Leute mit ihrem Realnamen bei Facebook registriert. Meist auch noch mit ihrem kompletten Nachnamen, also Nachnamen väterlicherseits
und mütterlicherseits. Das Gleiche bei mir.
So eine Plattform dient hier als öffentliches Portal. Man schreibt genau das hinein, was man öffentlich unter Freunden, Bekannten und vor einem grossen Publikum auch sagen würde. Es dient auch dem losen Zusammenhalt von Bekanntschaften. Wenn z.B. ein Bekannter ein "Like" (hier "me gusta") unter eine Publikation in meiner Biografie setzt, ist vergleichbar, als wenn er kurz anrufen würde, um zu sagen: "Hallo, mich gibt's auch noch. Ich will aber nicht weiter stören."
Früher waren halt die Anrufe oder auch persönlichen Besuche nur zur Aufrechterhaltung einer Bekanntschaft recht zeitintensiv und häufig eben auch störend. Diese Synchronizität ist ja auch oft störend. Wenn ich intensiv mit etwas beschäftigt bin, und sei es auch nur, dass mit mich mit jemandem unterhalte, möchte ich keine Telefonanrufe beantworten oder gar jemanden empfangen, der bei mir unangemeldet klingelt.
WhatsApp entflechtet also schon einmal die Kommunikation. Gleichzeitig kann ich aber auch Bilder übermitteln, die oftmals "mehr sagen als tausend Worte".
Facebook ist wie eine grosse Infotafel, die öffentlich sichtbar neben meiner Haustür prangen würde. Da kommen z.B. Berichte von Reisen oder Feiern usw. hinein, damit ich es nicht jedem einzeln erzählen und zeigen muss.
Und wenn meine Novia z.B. sagt, dass sie nicht will, dass sie auf meiner Facebook-Seite zu sehen ist, dann sind eben auch keine gemeinsamen Fotos von ihr und mir auf dieser Seite. Kann doch nicht so schwer sein, so etwas zu regeln. Eine ehemalige Nachbarin, mit der ich ein Verhältnis habe, ist zwar auch auf Facebook, aber nicht auf meiner Freundesliste. Möchte da mit ihrem Ex und nachbarn keine sinnlosen Gespräche führen. Ebenso ist meine Novia und eine weitere Freundin
auch nicht auf meiner Freundesliste. Ein Ex meiner Novia war einmal auf meiner Freundesliste, bis sie sich wieder einmal mit ihm gestritten hat. Dann ist er auch wieder weg von meiner Freundesliste.
Wer natürlich Nachbarn und entfernten Bekannten prinzipiell nichts mitteilt, sich mit denen auch sonst nicht weiter austauscht, wer ganz selten mal auf eine Geburtstagsfeier geht, wer also kurz gesagt, ein vereinzeltes Leben führt oder nur einen ganz eng begrenzten Verwandschafts- und Bekanntenkreis hat, der weiss natürlich mit Facebook nichts anderes anzufangen, als
anonym irgendwelchen Politikmist zu kommentieren.
Ich finde die Bespitzelung prinzipiell nicht störend, weil jeder Staat beruht auf Gewaltenteilung und auch einem Gewaltmonopol; und Geheimdienste waren, sind und werden auch Bestandteil jedes Staatsgebildes bleiben.
Wer in einem Staat wohnt, dessen Staatsräson er vehemment bekämpft, muss sich natürlich um Bespitzelung sorgen, aber ansonsten braucht er sich auch um das
sowieso Unvermeidliche nicht weiter zu kümmern. Denn kein Staat auf der Welt wird auf das Bespitzeln, zumindest einiger Verdächtiger, verzichten wollen. Das läuft ganz einfach unter Feindaufklärung.
Was mich eher stört in Ländern wie dieser BRD, ist, dass diese Vereinzelung der Bürger einem gemeinsamen Volksempfinden nicht zuträglich ist, und dass viele gesellschaftspolitische Probleme mit dieser Vereinzelung und auch Verängstigung, also diese Anonymität wie keine Klarnamen, nichts über sich publizieren, einher gehen. Diese Vereinzelung ist also schon ein wichtiges Kriterium dafür, dass ich in solch einem Land nicht wohnen möchte.