Zitat Zitat von Leibniz Beitrag anzeigen
Das ist sozusagen die Gretchenfrage. Grundsätzlich halte ich freie Wechselkurse zwischen nationalen Währungen für einen wichtigen Teil eines selbstkorrigierenden Mechanismus. Positive Leistungsbilanzen werten die Währung auf, wodurch die Konjunktur (und der Zuwachs an Leistungsbilanzüberschüssen) gedämpft wird. Gleiches gilt in umgekehrter Richtung. Uns fehlt nur der Mut, diese Schwankungen weiterhin zuzulassen.
Besonders vehement findet der Versuch kontra-zyklischer Konjunkturmaßnahmen in China statt. Genauso wie in China staatliche Mittel eingesetzt werden, um Konzerne zu subventionieren.
Ja, zu Zeiten vor den Zentralbanken gab es generell kürzere Wirtschaftszyklen, die jedoch schwächer ausgeprägt waren. Eine echte kontra-zyklische Politik wäre ja noch okay, aber die Förderung wird selbst zu guten Zeiten nicht mehr zurückgefahren.

Diese Versuche dürften langfristig allerdings scheitern, weil die Natur der Kreditzyklen nur überwunden werden kann, indem die Refinanzierungskosten der volkswirtschaftlich ausstehenden Kreditsumme, die mit jeder Kreditexpansion steigt, kontinuierlich durch neue Kreditexpansion ausgeglichen wird. Würden sie die alternative Maßnahme von Zinssenkungen ergreifen, würden ihre US-Dollar Devisenbestände im Rahmen ihrer Verteidigung des Renminbi noch schneller schrumpfen.
Und trotz ihrer erheblichen Kontrolle über die Binnenwirtschaft ist der Renminbi nun auch noch nicht so weit, völlig wertlos zu sein. Es ist möglich, mit Renminbi (zu erheblichen Aufschlägen) Gold zu kaufen.
Gerade das ängstigt mich ein wenig. Es besteht eigentlich kaum noch eine Korrektur in diesem Sinne, d.h. es wird vom Glauben an das chinesische Wirtschaftswachstum getragen. Selbst ein geringes Wachstum wäre u.U. für die Währung kaum noch zu verkraften.

Im US-Diskurs hat sich in letzter Zeit die Idee der Modern Monetary Theory ausgebreitet, wobei offenbar eine zentrale Erkenntnis sein soll, dass Staatsschulden und Defizite positiver als bislang angenommen seien. In Teilen bestätigen die Ideen auch Erkenntnisse, die mir und anderen schon länger bekannt waren. Im wesentlichen, dass Staatsschulden (meist) die wichtigste Quelle der Kreditschöpfung auf der grundlegenden Notenbank-Ebene sind. Davon erzählte der Zinsinstrumente-Inder Anshu Jain einmal vor einigen Jahren zu einem Vortrag in Frankfurt. Das Volumen selbst ist dabei nur ein kleiner Teil der Gesamtgleichung. Es ist vielmehr die 0% RWA-Gewichtung, die unter einprozentigen Haircuts im kurzfristigen Bereich und allgemein die Tatsache, dass die Notenbank ihre Geldpolitik praktisch durch Reverse-Repos und Aktiv-Tausch bewerkstelligt. Obwohl Michael Milkens Junkbonds heutzutage auf die Liste zugelassener Sicherheiten kommen könnten (angesichts der stetigen Aufweichung der Anforderungen an die Sicherheiten), sind die RWA-Gewichtung und die Collateral Abschläge in Staatsanleihen zweifellos ein derart gewaltiger Unterschied, dass sie eine Sonderrolle einnehmen. Zuletzt wäre wohl noch der hochliquide Sekundärmarkt zu erwähnen, der jedoch mindestens teilweise auch Folge statt Ursache ist.
Mich wundert immer, dass die Verfechter der MMT eigentlich nicht erklären können, was das eigentlich ist. Ich stimme dir bei der Kreditschöpfung durch die Notenbanken zu, und die 0% RWA-Gewichtung führt dazu, dass Banken mit Staatsanleihen vollgestopft werden. Ich sehe darin sowas wie eine Verzahnung des Staates mit dem Finanzsektor. Wenn man sieht, was selbst kleine wirtschaftspolitische Änderungen selbst mittlerer Industrienationen für Banken bedeuten, oftmals auch ausserhalb des betroffenen Landes, dann wird diese gegenseitige Abhängigkeit schnell deutlich.

Apropo risikolos und Sonderrolle: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie US-Hypothekenanleihen als praktisch risikolos angesehen wurden. Und ich kann Staatsanleihen auch nicht als risikolos erachten, denn obwohl komplette Ausfälle eher selten sind, so können sie deutlich an Wert verlieren, wenn ein Staat zu höheren Renditen gezwungen wird.