DDR-Regime: Egon K. von der Costa Osta Egon Krenz, der letzte DDR-Machthaber, greift mit einem neuen Buch noch einmal nach der Deutungshoheit. Ein Treffen im Eiscafé.
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27. Juni 2013 DIE ZEIT Nr. 27/2013
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Eiszeit an der Ostsee: Egon Krenz im Eiscafé Palermo in Dierhagen. © Martin Machowecz
Egon K. von der Costa Osta Vorige Woche war der einstige Staatschef kurzfristig verhindert.
[Links nur für registrierte Nutzer] hatte eine Panne. Das Auto sprang nicht an. Ein Marderschaden! Seine Anfahrt zum Interview scheiterte. Aber hatte man das nicht schon immer gewusst – dass im Kapitalismus am Ende doch das Raubtier gewinnt? Und wenn es ein noch so winziges ist.
Egon Krenz, letzter SED-Generalsekretär, am Ende mächtigster Mann der
[Links nur für registrierte Nutzer], wird von einem Nager lahmgelegt. Lässt, per Telefon, leise um Nachsicht bitten: "Herr Krenz entschuldigt sich", sagt die Sprecherin seines Verlegers. Ob man sich, statt im fernen Berlin, auch bei ihm an der Küste treffen könne? Im Ostseebad Dierhagen wohnt Krenz. Dort kann er alles fußläufig erreichen. Es gebe da ein Eiscafé, das Palermo. Dort werde er warten. Ja?
Also dann, auf ins
[Links nur für registrierte Nutzer]! Unterwegs schon ein Gespräch, ein Telefonat. Krenz meldet sich nicht mit Namen. Wirklich ins Palermo, Herr Krenz? Ja, sagt er. "Machen Sie sich keine Eile." Auf fünf Minuten mehr oder weniger komme es ihm nicht an.
Egon Krenz 76, war von 1959 bis 1983 FDJ-Funktionär und von 1984 an zweiter Mann hinter Honecker an der DDR-Spitze. 1989 wurde er dessen Nachfolger.
Das muss die Entspanntheit desjenigen sein, dessen Welt schon vor mehr als zwanzig Jahren untergegangen ist. Krenz ist inzwischen 76, er lebt das Leben der Rentner. Im hintersten Winkel der Bundesrepublik. Wohnt mit seiner Frau in einem reetgedeckten Haus ("36 Quadratmeter"), einem Büdchen hinterm Deich. Er hat dort ein kleines Grundstück, aber er ist ein Herr ohne Land.
1989: Für Deutschland war das der Anfang. Für Egon Krenz war dies das Ende. Er war damals 52, auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auf einmal floss der Sekt am eben geöffneten Brandenburger Tor. Krenz wurde zum armen Schlucker. In der neuen Welt, die sein einstiges Volk entdeckte, landete Krenz im Bau. Für seine Mitverantwortung für die Todesschüsse an der Mauer verurteilten ihn die Gerichte der Bundesrepublik zu sechs Jahren Haft.
Der Autor dieses Textes ist geboren im Vorwendejahr 1988 – in der DDR. Da hieß der Anführer des SED-Staats noch Genosse Erich Honecker. Den stürzte Krenz am 18. Oktober 1989. Am 3. Dezember 1989 trieb des Volkes Wut Krenz schon wieder aus dem Amt. Nach 50 Tagen. Als junger Mensch möchte man schon gerne wissen: Was ist heute von diesem Mann zu halten, der mit der DDR in den Abgrund ritt? Welches Gefühl soll man ihm entgegenbringen?
Anfahrt auf Dierhagen, es brennt die Sonne, es rauscht das Meer. Hier verdichtet sich die Geschichte des Ostens. Dies ist Angela Merkels Wahlkreis. Um die Ecke hat Joachim Gauck seine ersten Lebensjahre verbracht. Eine einzige Straße führt dorthin. Wer zu den Gaucks wollte, müsste an Krenz vorbei.
Egon Krenz hat ein Wasser bestellt.