Bei Hans Kammler kann man streiten, ob er für die Sieger von '45 einen Wert gehabt haben kann, bei Bormann nicht. Der war einzig am Ausbau von Struktur und Macht der NSDAP interessiert, in diesem Sinne intrigierte er noch im April 1945 - also, als alles eigentlich vorbei war - gegen Göring, um diesen als designierten Nachfolger Hitlers zu diskreditieren - mit Erfolg. Mit dem Ende der NSDAP war Bormann auf einen Schlag komplett bedeutungslos, er wusste nichts, was nicht auch aus zahllosen erbeuteten Archiven zu erfahren war. Wieso also sollte ihn irgend ein Sieger von 1945 haben wollen? In den USA war man nicht interessiert an Parteitaktikern, die nur in einer Diktatur zu arbeiten wussten, in der UdSSR hatte man selbst genug Vertreter dieser Sorte.
Bleibt die Frage, hat Bormann sich vielleicht doch erfolgreich aus Berlin abgesetzt und sein Leben irgendwo in Südamerika zu ende gelebt? Bis 1998 hätte man das durchaus annehmen können, denn so lange war nichts über seinen Verbleib gesichert. Mit DNA-Bestätigung für die Echtheit der 1972 gefundenen Gebeine ist die Debatte beendet. Und zwar schlicht aus dem Grund, dass es nicht ein vernünftiges Argument für die These gibt, es könnte irgend ein Nachrichtendienst Interesse daran gehabt haben, Bormann weiter zu verwenden und das selbst noch um die letzte Jahrtausendwende geheim zu halten.
Bei Kammler sieht das, wie gesagt, anders aus. Ja, er war kein Experte in irgend einer der besonders gefragten Disziplinen, aber er war der, der als einzige einen kompletten Überblick über wirklich alle Geheimwaffenprojekte im Dritten Reich besaß. Dank des generell konspirativen Charakters aller Arten der Organisation im Dritten Reich, wo jeder letztlich jedem misstraute und ihm Einsicht so weit wie irgendwie möglich zu verwehren suchte, dürfte Kammler auch mehr zu erzählen gehabt haben, als zum Beispiel aus dem Dorsch-Bericht hergegangen ist. Berührungsängste mit einem "NS-Täter", wie ihn der Verfasser dieses Artikels bezeichnet, hatte man auf keiner Seite, man hatte den Krieg ja auch - anderen Beteuerungen zum Trotz - nicht geführt, um irgendwelchen imaginären Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen. Selbst vor dem offiziellen Beginn des Kalten Krieges mit der Berlin-Blockade 1948 achtete jede Seite argwöhnisch darauf, der anderen ja nichts zu überlassen, das sich irgendwie als wertvoll erweisen würde. Als zum Beispiel die Amis die Anlage Dora an die Sowjets übergaben, hatten sie alles für sie interessante aus den Stollen geholt und nach Westen gekarrt, für die sowjetischen Besatzer blieben nur Reste übrig. Das war nicht nur im ETO so, auch nach Ende des Pazifikkrieges vernichteten die Amis lieber innovative japanische Wehrtechnik, als sie Uncle Joe zu überlassen. Wer's nicht glaubt, soll zum Beispiel mach nach dem Stichwort I-400 googlen...