Guten Tag Herr Giegold,
Guten Tag Herr Gilster,
Mich stört die Überschrift an diesem Aufruf.
"Boot statt Böller!" verkennt das eigentliche Problem und arbeitet sich m.E. billig an der Böllerei als bequemen Sündenbock ab.
Die Böllerei kann stören und stört sich auch und aus Gründen des Tierschutzes sehe ich die sehr wohl als bedenklich. Andererseits kann das Geballere eine Menge Spaß bereiten und da es nur einmal im Jahr läuft (von den paar Spinnern, die in den Tagen vor und nach Neujahr rumballern mal abgesehen) sehe ich die Böllerei als weniger schlimm. Auch bezogen auf die Umweltschutzgründe sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn z.B. aktuell in den Medien verlautet wird, dass die durch die Böllerei verursachte Feinstaubbelastung ca. 2% der pro Jahr erzeugten Belastung ausmacht, dann sollten wir uns lieber um die Quellen der übrigen 98% kümmern. "Boot statt Auto" wäre dann m.E. passender. Dafür hätten die Gründen sich dann nur in den rund 40 Jahren ihres Bestehens effizienter für preiswerte und sozial gerechtere Preise bei den öffentlichen Verkehren einsetzen sollen, davon merke ich bis heute zu wenig.
Bekloppt finde ich die Einseitigkeit des Slogans. Der leitet sich wohl aus dem m.E. genauso doofen Slogan "Brot statt Böller" ab, den einige mieserpetrige Zeitgenossen bisweilen am Jahresende in die Runde werfen. Menschen, die sich privat nichts aus der Böllerei machen, gerne auf diese verzichten würden, sich dann aber meist nicht wirklich bewusst machen, wo ihr persönlich sinnvolles Verzichtpotenzial liegen könnte?
Verzichten diese Böllerei-Gegner auf ihr privates Autofahren, auf die vorhandene Viel- und Billigfliegerei, den übertriebenen Fleischkonsum etc.?
Da gibt es m.E. nicht wenige Geister, die artig in die Kirche gehen (besser gesagt mit dem Auto fahren), den alltäglich selbst gemachten Dreck selbstgerecht ausblenden, dann sich aber über den vom Sylvestergeballer erzeugten Krach und Feinstaub echauffieren wollen.
Das ist verlogen wie die viele Symbolpolitik, die uns an wirklich sinnvollen Reformen hindert. Die Böllerei soll alle Jahre wieder zum Sündenbock für einen Lebensstil gemacht werden, der an vielen Ecken und Enden problematisch war und ist, der aber von vielen Menschen als selbstverständlich gesehen und betrieben wird. Diese Bigotterie stößt mich ab. Die Böllerei dürfte nur extrem wenig mit dem Elend der Flüchtlinge zu tun haben, unser alltäglicher Lebensstil dagegen schon. An diesem Lebensstil hat sich nur leider auch seit 2015 nicht wirklich etwas geändert und auch FFF hat bestenfalls erste Gedankenimpilse gesetzt, deren Umsetzung immer noch wartet.
Den Slogan "Boot statt Böller" finde ich also untauglich, er verkennt das eigentliche Problem und kann deswegen nicht wirklich etwas zu dessen Auflösung beitragen. Wenn´s dumm läuft schafft er nur ein bequemes Alibi für diejenigen, die eh nicht böllern, aber auch sonst nichts an ihrer Lebensweise ändern wollen.
Sinnvoller erscheint mir dann schon eher der weitergehende Aufruf, den die Aktion "United4Rescue" formuliert hat:
"Schick nicht nur Raketen in den Himmel, sondern auch ein Rettungsschiff ins Mittelmeer!"
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Mit diesem Satz wird die Böllerei nicht einseitig verurteilt, wie viele bigotte Zeitgenossen das versuchen, sondern dazu aufgerufen Konsum und politische Mitverantwortung zu verbinden bzw. jeweils sinnvoll zu gestalten. Das dumme "statt" fällt in diesem weitergehenden Aufruf aus. Raketen können in den Hummel geschickt werden, aber das Bewusstsein für die Not im Mittelmeer soll nicht im Getrubel der Sylvesternacht und unseres konsumgeschwängerten Alltags untergehen.
Das sehe ich als eine Botschaft, die an allen 366 Tagen des kommenden Jahres guten Sinn macht. Leider steht diese Botschaft in einem Widerspruch zu dem Titel desselbigen Aufrufs, da sollte nachgebessert werden, wenn die Aktion nicht nur im Symbolischen bleiben soll. Aber die ist es wert, das gesamte kommende Jahr beachtet zu werden.
Viele Grüße, Thomas Schüller
P.S.: Diese meine´ Meinung veröffentliche im Netz, z.B.:
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