Ich habe heute diesen [Links nur für registrierte Nutzer] gelesen, der beschreibt, wie sich Tochter und Vater durch ihre politischen Positionen entfremden. Als interessant empfand ich weniger die konkreten politischen Ansichten, als den Verlust der Fähigkeit, diese unterschiedlichen Ansichten zuzulassen. (Eine kurze Warnung: Menschen mit einer Parataxe-Intoleranz sollten diesen Artikel meiden.)
Als ich aufwuchs war ich eher links, und mein Bruder war eher am rechten Spektrum zu finden. Aber wenn ein paar Skins bei uns übernachteten, so was das kein Drama, und auch mein Vater (Lehrer) sah sowas nicht als Ende der Welt. Man mied sich nicht, man schloss einander nicht aus. Es war meinem Vater als Akademiker wichtig, dass er sich mit den Bauern im Dorf gut verstand, und das tat er auch jenseits der politischen Gegensätze. (Er war ja Fussballtrainer ihrer Söhne.)
Im Gegensatz dazu machen mich folgende Passagen einfach nur traurig:
Auch ich kenne mittlerweile Menschen, die durch ihre politische Haltung innerhalb der Familie isoliert sind, und interessanterweise geschieht dies an beiden Enden des politischen Spektrums. Ich selbst toleriere z.B. meinen polternden Onkel, d.h. mir ist seine politische Haltung nicht egal, aber er ist der Mensch, der mir als Kind gezeigt hat, dass es ein Leben ausserhalb des Dorfes gibt, durch den ich Italien erfahren durfte, und der mir mein erstes Auto schenkte. Er ist schlicht Familie, und das zählt. Wann genau ist es akzeptabel geworden einander so auszugrenzen?Dann buche ich mir ein Zugticket, um meine Mutter zu besuchen. Wo er genau hinfährt, weiß ich nicht. Wichtig ist nur: keine Räume teilen. Dann ist alles viel friedlicher zu Hause, meine Mutter hat dann keinen Tinnitus, wir lachen und schauen alte Krimis oder hören englische Musik, wir trinken Weißwein aus Weißweingläsern, und keiner redet rein. Er wundert sich nur, warum ich sonntags abreise, obwohl er doch montags wiederkommt. „Ich muss doch arbeiten.“ „Du bist doch Studentin.“ Wichtig ist nur: selten Räume teilen.