Die Beschaffenheit der Welt ist ganz anders geworden (Auszuege aus dem * Kudatku Bilik 460 d.H. 1069 n. Chr.)
Die Beschaffenheit der Welt ist ganz anders geworden, sieh Des Mannes Herz ist von der Zunge ganz verschieden geworden, sieh, Treue ist vom Volke gewichen, Leid hat zugenommen.Dem man glauben oder auf den man sich verlassen koennte, sind selten geworden. Treue ging weg, Leid hat sich eingenistet. Wenn man sucht, kein Glaubwuerdiger ist uebrig geblieben. Die Naehe hat zur Ferne gemacht der angenaeherte Freund, Den Edelsinn hat der gute Freund gelassen. Der Kleine hat keine Moral, der Grosse kein Wissen, Suenden sind viel geworden Annaeherung findet nur Geldes wegen statt. Wo ist Jemand, der aus purer Gerechtigkeit handelt? Das Wort "Zutrauen" ist da, doch wer thut es? Das Wort "Rath" ist da, doch wer haelt es? Wer ist es, der die "bekannten Gebote haelt, Wo ist endlich Einer, der Verbot einlegt?
9 Der Wissende spricht kein gerades Wort, Vom Weibe ist die Scham gewichen, sie bedeckt sich nicht!
10 Die Gerechten sind dahin, die Ungerechten (Krummen) sind zurueckgeblieben, Ja kein einziger Gottesfuerchtiger ist geblieben!
11 Die Menschen sind alle des Goldes Sklaven geworden, Bei wem Geld ist, dem haben sie sich verbeugt.
12 Gemeinden sind viel, doch Moscheen wenig. Sind Moscheen viel, ist die Versammlung wenig.
13 Hoere wie der Makellose spricht. Nehme es zu Herzen, oh guter Mann!
14 Wo ist der gerecht Handelude, wo? Wo ist Derjenige, der ein Gotteswerk kennt, wo?
15 Die ganze Welt ist vollkommen verdorben, Wo ist Einer, der sehend es zurecht machen soll?
16 Ein Wirrwar ist der Muselmanen Thun geworden, Wo ist Einer, der den Verbrecher zurueckhaelt?
17 Die Stimme der Bosheit und des Lasters schlaeft nicht und lebt immer fort, Wo ist Jemand des Korans kundig, seine Stimme hoert man wenig.
18 Die Herzen wurden hart, die Zungen weich, Die Gerechtigkeit selbst ist dahin, es blieb nur ihr Geruch zurueck.
19 Der Sohn thut Boeses dem Vater, sieh! So werdend ist der Vater Sklave geworden.
20 Das Leben wurde kurz, der Kummer lang. Alles ist Geiz geworden und hat Freuden verscheucht,
21 Arme, Wittwen und Waisen erfreuet Niemand, Der Singende ist von der Welt vertrieben worden.
22 Sehr wohl hat der Fuerst mit weitem Wissen gesprochen, Der die Welt und freigebig ist.
23 Die Welt ist geworden, das Gesetz ist verfallen, Die Guten sind beim Anblick des Boesen verdorben.
24 Der Verstaendige versteht, der Wissende weiss es, Jahr, Mond und Tag, Alles ist mit der Zeit verdorben.
25 Sohn und Tochter haben des Vaters Achtung vermindert, Der Name Greis ist dem Manne Schimpf geworden.
26 Alle Ordnung, Gesetz und Richtung ist verdraengt, Blinde und Sehende sind gleich geworden.
27 Gott der Allmaechtige moege unsem Glauben schuetzen, Er moege Unglueck, Empoerung und den boesen Schritt abwenden.
28 Im Jahre Zweiundsechzig und Vierhundert war es, Dass ich dieses Wort zu schreiben vollendet hatte.
29 Lobpreisend habe ich dieses Buch vollendet.
Der es liest und versteht, nehme Beispiel (Antheil) davon.
30 Wie es immer sei, musst du deinen Weg wandeln. Ich habe wenig gesagt, schaerfe es im Sinne dir ein.
Quellangabe:
UIGURISCHE SPRACHMONUMENTE UND DAS KUDATKU BILIK.
Professor HERMANN VAMBERY,
Drucke der Wagner`schen Universitaets Buchdruckerei
In Commission F. A. BROCKHAUS IN LEIPZIG 1870