Hirnforscher Logothetis beklagt mangelnde Wissenschaftsfreiheit
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Tübingen - Der Tübinger Hirnforscher Nikos Logothetis wird noch in diesem Jahr Deutschland verlassen und seine Forschung auf einem neu errichteten Campus in Shanghai fortsetzen. Logothetis war in Deutschland wegen seiner Experimente an Affen scharf angegriffen worden.

"Was mir widerfahren ist, nenne ich einen eklatanten Verstoß gegen die Freiheit der Wissenschaft, der möglich geworden ist durch einen populistischen Zeitgeist", sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik der "Welt am Sonntag.
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"Die MPG (Anm.: Max-Planck-Gesellschaft) spricht angesichts meines Weggangs von einer Win-win-Situation. Die Wahrheit ist aber, dass Deutschland eine weltweit einmalige Technologie verliert. Und glauben Sie mir, ich fühle mich hier sehr zu Hause und würde weiß Gott nicht nach China gehen, wenn ich meine Forschung in Deutschland weiterführen könnte."
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Auslöser war die "Soko Tierschutz", ein Mitarbeiter schleuste sich ein und veröffentlichte "schokierende Bilder " über das Leid der Tiere.






Die Initiative wurde von mehreren Medien aufgegriffen, die Empörungswelle ließ nicht lange auf sich warten und sie hatte Folgen.




Die FAZ schreibt am 03.01.2017

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Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, eines der weltweit führenden Institute im Bereich der Hirnforschung, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Affenexperimente werden eingestellt. Diesen „Erfolg“ dürfen sich die Tierversuchsgegner auf ihre Fahnen schreiben. Mit ihren fragwürdigen, psychologisch aber wirkungsvollen Kampagnen haben sie die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut weichgekocht.
Unter ihnen Nikos Logothetis, einer der Direktoren des Instituts und hoch angesehen in seinem Fach. Logothetis versteht die Welt nicht mehr. Das hat mehrere Gründe: Die Geschichte fing damit an, dass ein von der sogenannten Soko-Tierschutz eingeschleuster Tierpfleger in seinem Affenlabor rechtswidrig mit versteckter Kamera filmte, wobei die Bilder in der Nachbearbeitung dramatisch zusammengeschnitten wurden. Dann wurde das Elaborat noch mit Musik in Moll untermalt. Ein gefundenes Fressen für Fernsehformate wie „Stern TV“, die die reißerischen Bilder gerne sendeten. Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten. In der Folge wurden die Wissenschaftler des Instituts beschimpft, bedroht und gedemütigt. Verstörend ist für Nikos Logothetis aber auch, wie wenig Unterstützung er und seine Kollegen erfahren. Natürlich wurde der Fall gutachterlich untersucht. In diesem Rahmen schlug man einige Modifikationen im Umgang mit den Versuchstieren vor. Es steht aber fest, dass die Experimente im Einklang mit dem sowieso schon strengen Tierschutzgesetz standen. Im Gegensatz dazu muss man die Rechtmäßigkeit der Methoden, mit denen Logothetis und seine Kollegen angegangen wurden und werden, diskutieren: Das illegale Filmen mit versteckter Kamera, Morddrohungen, Beleidigungen, der Vergleich mit Nazi-Schergen, der Aufruf, die Wissenschaftler zu stalken und anderes mehr sind keine Bagatelldelikte. ..
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STERN jubelt im April 2017:
Max-Planck-Institut Tübingen
Die Zeit der Tierversuche mit Affen ist vorbei

Die massive Kritik von Tierschützern zeigt endlich Erfolg: Das Max-Planck-Institut stellt in der Gehirnforschung die Versuche an Affen ein. Derzeit wird im Institut noch wegen Tierquälerei ermittelt.
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Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik (MPIBK) in Tübingen forscht nach anhaltender Kritik von Tierschützern nicht mehr an Affen. "Wir bestätigen, dass die Affenversuche endgültig beendet sind und wir keine Affen mehr haben", teilte die Sprecherin des Instituts mit. Abteilungsdirektor Nikos Logothetis hatte schon vor zwei Jahren angekündigt, nach Abschluss der laufenden und bereits genehmigten Experimente nur noch mit Nagetieren forschen zu wollen.

Der Vorsitzende des Vereins Soko Tierschutz, Friedrich Mülln, bezeichnete das Ende der Affenversuche als historischen Erfolg der Tierschutzbewegung Deutschlands...
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Und der Forscher selbst? Der fühlt sich im Stich gelassen. China freut sich. Und die armen Affen? Denen wird es in China nicht besser gehen.

So, zum Schluss noch der SPIEGEL:

Spitzenwissenschaftler wandert nach China ab

"Politiker haben die Verantwortung, Forscher zu schützen"
Nikos Logothetis gilt als Nobelpreiskandidat. Doch heimlich in seinem Affenversuchslabor gedrehte Videos zerstörten seinen guten Ruf. Nun verlässt er Deutschland - und geht mit der Politik hart ins Gericht.
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Logothetis wird Ende dieses Jahres oder Anfang 2021 von Tübingen nach Shanghai wechseln und seine Arbeit dort fortsetzen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vor einigen Tagen. In China wird eigens für den Wissenschaftler ein neuer Forschungscampus eingerichtet.

Deutschland verliert damit einen seiner renommiertesten Wissenschaftler. Die Geschichte um den Weggang des Forschers schwächt zudem den Ruf des Landes als angesehener Forschungsstandort.
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Zu seiner Situation findet Logothetis klare Worte, die insgesamt ein schlechtes Licht auf Europa als Wissenschaftsstandort werfen. "Wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen: Was derzeit in Mitteleuropa passiert, ist katastrophal", schreibt Logothetis mit Blick auf die von ihm wahrgenommene fehlende Unterstützung. Es könne Jahrzehnte dauern, Erfahrungen und Kenntnisse aus der Grundlagenforschung wiederzuerlangen, wenn sie einmal verloren gegangen seien. "Vor dieser Gefahr möchte ich eindrücklich warnen!"
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So, und meine Meinung?Dass ein so renommierter Wissenschaftler so wenig Unterstützung erhält, ist ein Trauerspiel.
Ich finde Tierschutz wichtig, aber passiert ist lediglich, dass die Affen jetzt in China statt in D im Labor sitzen. Das ist aber nicht alles. China kann sich freuen. Deutschland hat Moralapostel gewinnen lassen und dafür mit einem riesigen Verlust für Forschung und Renommée bezahlt.
Und die Affen? Die werden jetzt in China statt in D im Labor sitzen.

Peta ist das inzwischen übrigens auch aufgefallen.

... „In Deutschland wurden die Affenversuche am Tübinger Max-Planck-Institut für Kybernetik viel diskutiert und aufgrund des öffentlichen Drucks nicht mehr durchgeführt. Nikos Logothetis‘ Wechsel nach China bedeutet schlichtweg eine Abwanderung an einen Forschungsstandort, der niedrigere ethische und gesetzliche Anforderungen hat. ...
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