Preußische Allgemeine Zeitung / 21.01.2024 / Wolfgang Kaufmann
Ukraine
An Kiew gelieferte Waffen im Darknet angeboten
Der
israelische Cybersicherheitsdienstleister KELA berichtet von einem regen Handel im Netz. Kriegswaffen können in die Hände von Terroristen oder Schwerkriminellen gelangen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen aus den Konflikten auf dem Balkan sowie im Irak, Syrien und Afghanistan. Und nun sind auch die
ersten Angebote im
Darknet, also dem nicht so leicht zugänglichen „dunklen“ Teil des Internets, aufgetaucht, die sich auf
Kriegsgerät beziehen, das der
Westen derzeit in die
Ukraine liefert.
Die diesbezüglichen Hinweise stammen von dem israelischen Cybersicherheitsdienstleister
KELA und wurden im Laufe dieses Monats durch verschiedene Medien aufgegriffen. Laut den Recherchen von KELA bieten mehrere „Märkte“ innerhalb des Darknet Waffen feil, die aus ukrainischen Beständen stammen sollen. Einer davon ist
„Thief“, auf dem es neun Angebote von drei potentiellen Verkäufern gibt. Der erste nennt sich
„Weapons Ukraine“ und hat
Gewehre, Handgranaten sowie
kugelsichere Westen auf seiner Liste bei einer Preisspanne von 1100 bis 3600 US-Dollar. Wie „Weapons Ukraine“ mitteilt, kam es bereits zu
32 Geschäftsabschlüssen. Der zweite Anbieter namens
„Big Discounts on Weapons“, der angeblich direkt in
Kiew sitzt, verspricht die Lieferung von US-amerikanischen
Panzerabwehrlenkwaffen vom
Typ FGM-148 Javelin zum Stückpreis von 30.000 Dollar. Und die Produktpalette des dritten Anbieters
„Black Market Guns“ umfasst unter anderem schwedische
NLAW-Panzerabwehrraketen für je 15.000 Dollar und US-amerikanische
Kamikaze-Drohnen vom Typ
AeroVironment Switchblade (Sprungmesser) für 7000 Dollar.
Pentagon sieht eine Kampagne
Drei Erklärungen scheinen möglich. Zum
Ersten könnte es sich um
Einzelfälle handeln, um Waffen, die von kriminellen Militärs oder anderen Einzelpersonen abgezweigt wurden, bevor sie an die Front gelangten. Zum
Zweiten könnten
systematische Waffenschiebereien im größeren Ausmaß stattfinden, an denen etliche hochrangige Offiziere und Zollbeamte beteiligt sind. Immerhin müssen die „Lieferungen“ ja irgendwie aus der Ukraine herausgelangen. Es ist zum
Dritten aber auch denkbar, dass hier
Betrüger am Werk sind, die gar nichts anzubieten haben, oder aber eine vom
russischen Geheimdienst initiierte
Desinformationskampagne dahintersteckt, deren Ziel darin besteht, den Westen von weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine abzuhalten.
Letzteres behauptete naheliegenderweise der
Pentagon-Sprecher Eric Pahon im Interview mit
„Fox Business“.
Allerdings meinen die
KELA-Mitarbeiter, dass die Angebote
tatsächlich von Anbietern in der Ukraine erstellt wurden. Darüber hinaus ist das osteuropäische Land schon seit
2014 für das
massenhafte Verschwinden von
Kriegswaffen bekannt. So gingen während der Kämpfe gegen die prorussischen Separatisten in den Verwaltungsbezirken Donezk und Lugansk innerhalb von nur zwei Jahren
300.000 Handfeuerwaffen „verloren“, von denen lediglich
4000 wieder auftauchten.
Daher ertönen nun etliche besorgte Stimmen.
„Da sind wirklich beachtliche Risiken mit diesen Waffenlieferungen in die Ukraine verbunden“, stellte Nils Duquet, der Direktor des Flemish Peace Institute, gegenüber dem Fernsehsender France24 fest.
„Wie in Lateinamerika“
Und auch der
Generalsekretär der Internationalen kriminalpolizeilichen Organisation (Interpol) und die
Vorsitzende des Europäischen Polizeiamtes (Europol), Jürgen Stock und Catherine De Bolle, zeigten sich alarmiert, wobei die beiden fürchten, dass wir das
Schlimmste noch
vor uns haben, wenn denn dann irgendwann die Kampfhandlungen beendet sind. Stock sagte, erst wenn an der Front Ruhe herrsche, würden die Kriegswaffen als illegale Waffen auf den Schwarzmarkt gelangen.
„Das kennen wir von vielen anderen Konfliktschauplätzen.“ De Bolle wiederum verglich das dann zu erwartende
Niveau der Gewalt in
Europa mit dem in jenen lateinamerikanischen Staaten, die momentan als absolute Hochburgen der Kriminalität gelten.
Wenn die von KELA entdeckten Angebote authentisch sind, könnte der Krieg auf
unseren Straßen aber auch schon in näherer Zukunft beginnen. Aber egal,
wann es losgeht, für die Sicherheitskräfte ergeben sich auf jeden Fall ganz neue Herausforderungen. Schließlich hätten selbst die professionell trainierten und ausgerüsteten
Sondereinsatzkommandos der Polizei kaum eine Chance auf dem „Gefechtsfeld“, wenn sie plötzlich auf entschlossene Personen mit
Panzerabwehrlenkwaffen und
Kamikaze-Drohnen treffen. Dann könnten sich die Einsatzfahrzeuge der Elitepolizisten binnen Sekunden in Schrotthaufen verwandeln, während eventuelle Überlebende hilflos zusehen müssten, wie Attentäter ein Blutbad anrichten oder Mafiosi ihren kriminellen „Geschäften“ nachgehen.
Polizeigewerkschaft warnt
Und es sollte sich niemand der
Illusion hingeben, dass die Anforderungen beim Umgang mit hochtechnologischen Kriegswaffen die Fähigkeiten von
Kriminellen oder
Terroristen übersteigen. Wie der bayerische Landesvorsitzende der
Deutschen Polizeigewerkschaft, Jürgen Köhnlein, unlängst enthüllte, weilen
„Extremisten jeglicher Couleur“ bereits seit Monaten in der
Ukraine, um sich mit
Javelin, NLAW und
Switchblade vertraut zu machen.
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