„Rassistische Stereotype“
Ulmer Münster verbannt im Advent den „schwarzen“ König
Die evangelische Gemeinde in Ulm greift durch: Dieses Jahr wird die Jahrhunderte alte Krippe ohne die Heiligen Drei Könige ausgestellt. Der Grund: Die „eindeutig rassistische Darstellung“ des schwarzen Königs Melchior.
Die evangelische Münstergemeinde in Ulm wird die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe entfernen. Die drei Figuren, darunter der Melchior mit schwarzer Hautfarbe, sollen in diesem Jahr nicht gezeigt werden, sagte Dekan Ernst-Wilhelm Gohl.
Die Gemeinde reagiere damit auch auf die andauernde Rassismus-Debatte in Deutschland. „Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisch anzusehen“, sagte Gohl weiter. Dies könne und wolle die Gemeinde so nicht stehen lassen. Stattdessen soll in diesem Jahr die Weihnachtsgeschichte nach Lukas erzählt werden, in der die Heiligen Drei Könige nicht vorkommen.
Mit der Entscheidung möchte
[Links nur für registrierte Nutzer] auch Streit während der Feiertage vermeiden. Das diesjährige Weihnachten solle nicht von einer Debatte um die Krippenfiguren bestimmt werden. Eine endgültige Entscheidung zum längerfristigen Umgang mit der Figur des Melchior wolle die Gemeinde „in aller Ruhe“ im neuen Jahr treffen, so Gohl.
[Links nur für registrierte Nutzer] und der Evangelische Pressedienst (epd) hatte zuerst darüber berichtet. Unterstützung bekam die Gemeinde vom württembergische Landesbischof. „Der Weg, den man jetzt in Ulm versucht zu gehen, ist richtig“, sagte Frank Otfried July in Stuttgart der Nachrichtenagentur dpa. „Es ist wichtig, eine Entscheidung gut zu beraten und auf dem Weg dorthin die dafür nötige Ruhe in der Gemeinde zu gewinnen.“
Wulstige Lippen, Goldreif am nackten Knöchel
Den Beschluss, die Krippe in einer anderen Variante zu zeigen, hatte der örtliche Kirchengemeinderat in seiner jüngsten Sitzung getroffen. Gohl erläuterte weiter, der von einem Künstler vor rund 100 Jahren gestaltete Ulmer Melchior sei eine Besonderheit in mehrfacher Hinsicht. Er sei vermutlich der einzige heilige König mit Brezel in der Hand.
Gleichzeitig sei er so geschaffen, dass er rassistisch geprägte Stereotype anspricht mit seinen wulstigen Lippen, seiner Körperfülle und seinem Goldreifen an den nackten Fußknöcheln.
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Die historische Krippe wurde vor rund 30 Jahren gestiftet mit der Auflage, sie jährlich ab dem ersten Advent im Münster auszustellen.
Gohl unterstrich, dass es bei der Krippenaufstellung nicht darum gehe, den schwarzen König zu unterschlagen. Infrage stehe nur die Art der Darstellung.
Landesbischof July schlug denn auch vor, die Figuren mit einem erklärenden Kommentar zu versehen. „So etwas abzuhängen oder wegzustellen oder in einem Museum zu verstecken, halte ich für den schlechteren Weg“, sagte der Geistliche. „Es ist unsinnig, Dinge im Nachhinein unserer gegenwärtigen Überzeugung anzupassen. Man muss sie erklären und in eine heutige, kritische Bewertung stellen.“
Die Entscheidung in Ulm könnte zudem Konsequenzen für andere Gemeinden haben.
Auch in Bayern wird über die Heiligen Drei Könige in der Weihnachtskrippe nachgedacht.
„Die Thematik wird auch bei uns im Erzbistum diskutiert, konkrete Maßnahmen sind uns aber nicht bekannt“, sagte eine Sprecherin des Erzbistums München und Freising am Mittwoch auf Anfrage.