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Volkszertreter
Hallo zusammen, was die Empörung und Heuchelei rund um Werkvertragstricksereien angeht, kann ich nur müde lächeln. Ob Laumann da nun sich dem Pöbel mit Sprüchen anbiedert oder nicht, ist vollkommen irrelevant. Politiker machen sowas immer, wenn man mal Zeuge ist, müsste man mit dem Finger auf sie zeigen und sie auslachen ob dieser Show. Ich habe in der chemischen Industrie unter verschiedenen Beschäftigungsformen gearbeitet.
(Schein)Selbständigkeit, Zeitarbeit, Werkvertrag. Gemein haben sie, dass sie ein Trick sind (wie alles, was über mehrere Ecken läuft) um reale Beschäftigung zu vermeiden. Warum? Weil die AG-Verantwortung schon groß ist. Zwischen "AN wird alt und öfter krank" - "AN hat Anspruch auf eine Lesebrille" - "AN bekommt Werksrenten" - "Es wird teuer, wenn AN gekündigt wird" gibt es 1000 Gründe, warum AG das alles nicht haben wollen. Das lassen sie sich auch etwas kosten.
Bei uns im Werkvertrag war es so, dass mein AG (korrekterweise müsste man ihn natürlich "Strohmann" nennen) einen Fix-Betrag monatlich überwiesen bekam (ich wusste den Betrag genau), von diesem waren 42% das Brutto der Auszahlung an uns. 58% gingen an ihn. Aufwand: Null. Keine Schulungen etc. Einmal im Jahr eine Firmenveranstaltung, die sinnlos war. Von dem Geld konnte vor allem das Unternehmen entwickelt werden und die Autos des Chefs waren dann halt große Porsche-Panzer.
Finanzieller Nachteil für uns als AN: Abgesehen von fehlenden Aktienoptionen, Werksrente usw. (es gab viele Zuwendungen für die Stamm-AN) lagen wir lohnseitig vielleicht bei 50-60% der Stammbelegschaft, man muss ja sehen, dass diese geregelt mit zunehmendem Alter immer mehr bekam. Jeder ausgelernte Azubi hat uns im Gehalt sofort knapp überholt.
Sozialer Nachteil: Gewaltig. Es existieren durch die Werkvertragler ja eine unbekannte Anzahl (sind ja keine Personalkosten, sondern Sachen) Mitarbeiter - eine Schattenbelegschaft. Die bspw. bestimmte Räume nicht nutzen darf, die Kantinen-Essen nicht subventioniert bekommt, die an Firmenceranstaltungen nicht teilnimmt - obwohl sie permanent für die Firma arbeitet. "Fremdarbeiter" sind recht machtlos. Der Kunde ist König. Sie können sich nicht mit 50 Jahren zurücklehnen, den Stift das machen lassen und den Mund gegenüber dem AG aufreissen. Es droht ja Auftragsverlust für alle MA der Firma. Also starke soziale Fesseln.
Ich wiederhole: Chemieindustrie. Und da waren wir und andere keine Fleischzerleger, sondern teilweise akademisch bsw. nah an akademischen Bereichen. Es wurden technische Bereiche aus der "Kernkompetenz" ausgeschlossen und somit erlaubt, diese outzusourcen. Es war dann so, dass Stammbelegschaft veraltete, frühverrentete, praktisch schon nichts handfestes mehr tat, Fremdarbeiter überwachte und fürs Ego genehmigte man sich Schulungen. Tendenziell machen Stammbelegschaften dann die Arbeiten, bei denen man besser aussieht. Fürs Ego gut. Übergangsweise waren es also bessere Menschen, bis sie dann weg waren. Am Ende blieben in einem technischen Bereich nur noch 2 Leute, die die Fremdfirmen überwachten. Diese handeln weitgehend autonom.
Dieses System existiert seit Jahrzehnten bekanntermaßen in sehr vielen Dax/Großunternehmen. Das System ist auf allen Ebenen für AG verlockend. Fügsame Arbeiter, die man sofort loswerden kann, man muss sich wegen nichts mit ihnen herumschlagen. Politiker wissen das. Sie kommen aber dann zu Besuch und lassen sich vom Werkleiter irgendwas zeigen. Die vorbildliche Ausbildung oder so. Dann sind sie wieder weg. Frau Nahles war mal bei uns.
In der idealen Welt verleihen sich alle Firmen ihre Arbeiter gegenseitig. Das schafft unmündige Arbeiter.
Mit welchem Recht will man nur der Fleischindustrie diese Dreiecks-Tricksereien verbieten? Das kann und wird nicht passieren.