Spiegel Printversion / 19.01.1997
SPIEGEL-MITBETEILIGUNG
Die Herren im Hause
Es gab eine Zeit, da wurde im SPIEGEL mindestens genauso eifrig debattiert wie recherchiert. Redakteure stritten sich auf Vollversammlungen, bildeten Kommissionen, Arbeitskreise, Räte, Beiräte, Ausschüsse. Linksliberale und, nach eigener Einschätzung, sozialistische Journalisten wollten dem Gründer und Eigentümer Rudolf Augstein etwas abtrotzen: ein Redaktionsstatut und Mitbestimmung.
Sie bekamen etwas Besseres, und es gefiel ihnen nicht: Sie gewannen ein Stück Eigentum am Unternehmen, das den SPIEGEL-Mitarbeitern mehr Rechte gab als jedes Redaktionsstatut und jedes Versprechen auf Mitsprache.
Seit 1970 sind Redakteure, Dokumentationsjournalisten und Verlagsangestellte dank einer Schenkung Rudolf Augsteins 50-Prozent-Teilhaber des SPIEGEL.
Für die sogenannten Linken im Hause war das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzungen mit Augstein eine "kleinkapitalistische Illusion". In Wahrheit funktioniert dieses Modell einer Mitarbeiter-Beteiligung so hervorragend, daß großkapitalistische Illusionisten immer wieder versucht waren, es zu beseitigen.
Nirgendwo ist die Idee, die Beschäftigten eines Unternehmens auch zu Eigentümern zu machen, so konsequent verwirklicht worden wie beim SPIEGEL. Nirgendwo anders sind Rechte und Pflichten dieser neuen Gesellschafter so eindeutig festgeschrieben: Mitverantwortung, Mitentscheidung - und ein Anspruch auf die Hälfte des Gewinns.
Jeder Mitarbeiter, der mindestens drei Jahre beim SPIEGEL arbeitet, kann sich als stiller Gesellschafter an der Mitarbeiter KG beteiligen. Diese Firma - in Langfassung: Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für SPIEGEL-Mitarbeiter mbH & Co. - ist mit der Hälfte des Stammkapitals Gesellschafter des SPIEGEL-Verlags. Die beiden anderen Gesellschafter sind mit je einem Viertel Rudolf Augstein sowie der Verlag Gruner + Jahr (siehe Grafik Seite 216).
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