Zitat von
Bergischer Löwe
In der Nachkriegszeit - ich bin Kind der 60er - saßen noch Millionen Kriegsteilnehmer in Amt und Würden. Mit dem nötigen zeitlichen Abstand hat diese Generation die Leistungen ihres Landes im Krieg vielleicht nicht immer realistisch gesehen und hier und da die rosa Brille angehabt. Selbstverständlich hat der Landser tapfer gekämpft, war diszipliniert, schlau und unglaublich zäh. Selbstverständlich hat die deutsche Wissenschaft binnen kürzester Zeit Dinge möglich gemacht, die vor dem Krieg undenkbar schienen. Und ja: Auch das Offizierscorps war tapfer und meist ausgezeichnet in der Truppenführung.
Deutschland hat den Krieg an drei Fronten verloren:
1. Wirtschaftspolitisch: Die im Frieden gut funktionierende Mischung aus Staatsverwaltungswirtschaft und Marktwirtschaft hat in der Kriegssituation größtenteils nur sehr schlecht funktioniert. Heute würde China hier genauso Schiffbruch erleiden - würden sie es mit einem dem Dritten Reich sehr ähnlichen gesamtwirtschaftlichen Konzept mit den USA aufnehmen wollen. Großbritanniens Regierung mischte sich weitaus weniger in die eigentliche Konstruktionen von Rüstungsgütern ein als es in Deutschland der Fall war. Man setzte die Rahmenbedingungen, sorgte für die Rohstoffe und die Arbeitskräfte. Den Rest machten die Rüstungsunternehmen allein. Die USA mischten sich noch weniger ein. Und - wie im Frieden - Konkurrenz belebt das Geschäft. Das RLM beauftragte bevorzugt bei Messerschmitt und Focke-Wulff. Heinkel wurde z.B. gerne mal links liegen gelassen. Thema Nachtjäger: He 277 "Uhu". Der wohl beste kolbenmotorgetriebene Nachtjäger der Welt war alleine von seiner Herkunft her ohne Chance....Stattdessen kaufte man Bf-110, 210, 410 usw.
2. Marine: Ohne wirklich schlagkräftige Marine kein Sieg gegen das Vereinigte Königreich. Das Konzept der großen Hochseeflotte im ersten Weltkrieg hat zwar nicht zum Sieg geführt - hätte es aber beinahe. Im Gegensatz zum 2. Weltkrieg band das alleinige Vorhandensein der zweitgrößten Schlachtflotte der Erde in Wilhelmshaven und Kiel die gesamte Grand Fleet in Großbritannien. Die Briten konnten es sich nicht leisten, auch nur ein einziges Großkampfschiff von diesem Szenario abzuziehen, um die Blockade auszuführen. Der Sieg im Osten 1917 hat dann massive Ressourcen freigemacht, die im Frühjahr 18 zu einer höchst kritischen, existenzbedrohenden Situation für die Entente führten. Ein bisschen "mehr" und "früherer" Wagemut der Marine und ein bisschen "mehr" Glück an Land, und der Krieg wäre gewinnbar gewesen ("Siegfrieden").
Im 2. Weltkrieg stellte die deutsche Konzentration auf U-Boote keinerlei Gefahr für die militärische Beherrschung der Nordsee und des Atlantiks dar. Deutschland war seeseitig weitestgehend blockiert und konnte nur per U-Boot bis Anfang 43 örtliche Schläge gegen die Briten ausführen. Ernsthaft bedroht war die Versorgung Britanniens eigentlich zu keinem Zeitpunkt. Selbst 1941 nicht, da die Kolonien und die USA immer noch genügend Ware durchbrachten. Insbesondere aufgrund des Versagens der italiensichen Flotte im Mittelmeer, insbesondere gegen Malta, und der Unfähigkeit der deutschen Aussenpolitik, Spanien zum Angriff auf Gibraltar zu bewegen. Das Vorhandensein unzähliger Schlachtschiff- und Kreuzerklassen hat die Briten immer wieder in die Lage versetzt, größere Seeoperationen durchzuführen, die ihre strategische Position sicherten. Dies konnte Deutschland zu keinem Zeitpunkt untergraben.
3. Politisch: Im Spätherbst 1941 hätte angesichts der japanischen Weigerung, aus dem Mandschuoko die Sowjetunion anzugreifen, klar sein müssen, dass Japan keinesfalls der richtige Verbündete ist. Der Angriff auf Pearl Harbour hätte eine ähnliche Haltung Deutschlands zur Folge haben müssen wie die Japans beim Beginn von "Barbarossa". Kein Krieg gegen die USA ohne Not. Roosevelt hätte Deutschland keinesfalls im Dezember 41 aus sich heraus den Krieg erklärt. Feindliche Haltung - ja, sicher. Aber keine aktiven Kriegshandlungen. Warum Berlin den USA den Krieg erklärte, werde ich wohl niemals verstehen. Hitler hatte den richtigen Instinkt und versucht im September 41 die Briten über Schweden zu überzeugen, die Waffen ruhen zu lassen. London stellte unannehmbare Forderungen. Gut. Hätte Deutschland im Dezember den Angriff Japans auf Hawaii verurteilt und den Beistandspakt gekündigt, hätte das sicher in London und Washington für mehr als hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Bis hin zur Möglichkeit eines Friedens im Westen. Japan war Deutschlands Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg, nahm sich kaltlächelnd die deutschen Kolonien im Asia-Pacific Raum und tat NICHTS für Deutschland im Zweiten. Ein Weiterbestehen der "Achse" nach Dezember 41 war neben dem Blankoscheck für Österreich-Ungarn im Juli 14 die größte Dummheit in der Geschichte der deutschen Aussenpolitik.