Zitat von
OneDownOne2Go
Ich sage es nicht gerne, aber diese "moralische Hypothek" hat nichts mit dem zu tun, was Deutsche zu Kriegszeiten getan oder unterlassen haben. Es gibt, nimmt man es genau, gar keine "moralische Hypothek", es gibt nur einen Staat, der in seinen Grundfesten zerstört und nach dem Willen der Sieger neu aufgebaut worden ist. Und zwar so, wie es für die Sieger praktisch war. Für die Amerikaner als Stützpunkt an der Demarkationslinie des kalten Krieges, für die Briten - so war es zumindest gedacht - endgültig nicht mehr als industrielle Konkurrenz in Europa, und für die Franzosen, wobei ich die nur mit Mühe zu den "Siegern" zählen kann, militärisch so weit passiviert, dass nie wieder Gefahr für die "Große Nation" bestand.
Was immer nach Mai '45 kam, es kam nur mit dem Segen der Sieger. Man kann Adenauer nicht mal einen Verräter nennen, denn wenn er nicht die Hand dazu gereicht hätte, das Konstrukt BRD aus der Taufe zu heben, hätte es eben jemand anderes getan, potenziell jemand, der noch weniger national und konservativ gedacht hätte, als der alte Mann vom Rhein. Deswegen sehe ich in Adenauer eher einen "Schadensbegrenzer", soweit die Umstände das eben zugelassen haben. Man muss sich mal die Realität von 1949/50 vor Augen führen, Deutschland war substanziell zerstört, es besaß kein Militär mehr, eine eigene Polizei nur noch als Appendix alliierter Organe, es konnte nichts fordern, auf nichts bestehen, mit nichts drohen. Es war ganz und gar der Gnade der Sieger ausgeliefert. Im Grunde sollten wir Stalin - und jetzt lach nicht - dankbar sein, dass er so kompromisslos den eisernen Vorhand hinunter gelassen und so schnell seine eigene Atombombe gebaut hat, wie das auch immer von Statten ging. Denn ohne den sich anbahnenden kalten Krieg hätte man aus Deutschland wohl wirklich einen Agrarstaat nach den Vorstellungen des Henry J. Morgenthau gemacht, oder seine Eigenstaatlichkeit einfach beendet, und die Reste anderen Staaten zugeschlagen.
Wir haben nicht für das geblutet, was wir getan hatten, das hat man nur propagiert, damit das ganze einen weniger willkürlichen, feindseligen Charakter bekam. Man hat uns auch nicht für den Holocaust "bestraft", oder dafür, nahezu ganz Europa militärisch erobert zu haben, man hat lediglich das Potenzial, das in den Deutschen steckte, nach Mai 1945 möglichst gewinnbringend für die Zwecke anderer Staaten nutzbar gemacht. Uns hat man ein bisschen "eigene Geschichte" erlaubt, in der Leute wie Stauffenberg und von Tresckow Helden sein durften, Leute wie Kurt Eisner aber zum Beispiel nicht, denn der war ja ein Kommunist und nicht geeignet als Vorbild für ein antikommunistisches Bollwerk an der Grenze zu Stalins Machtbereich.
Was die 68er danach aus dem ganzen Unsinn gemacht haben, und was unsere Polit-Clows heute daraus machen, das steht auf einem anderen Blatt. Hier wird schon lange nicht mehr der Wille der Sieger auf unsere Kosten vollstreckt, wir richten uns selbst zu Grunde, und das auch noch mit Begeisterung, wie es mir scheinen mag. Hier herrscht nicht die US-Ostküste oder der Londoner Finanz-Distrikt, und auch nicht die so gerne bemühte "Zionistische Weltverschwörung", hier herrschen "nur" Dummheit, Mittelmäßigkeit, Selbstsucht, Mangel an Über- und Voraussicht und ein paar andere, ebenso wenig positive Eigenschaften des Menschen.