Welchen Einfluss hat das Impfen auf die Entwicklung der Infektionszahlen?
Die eigentliche Krankheitslast koppelt sich völlig ab von der Inzidenz …
Also Sie meinen, die Inzidenz sagt als alleiniger Parameter nichts mehr darüber aus, wie bedrohlich die Corona-Pandemie in Deutschland ist?
Genau. Und das ist ja auch das eigentliche Ziel der Impfung, dass man verhindern möchte, dass Personen, die besonders gefährdet sind, schwer erkranken oder sterben.
Die vulnerablen Gruppen, also vor allem die ältere Bevölkerung?
Ja. Bei den über 80- bis 90-Jährigen, da stirbt einer von 100 Infizierten. Die Krankheitswahrscheinlichkeit und Sterbewahrscheinlichkeit in den niederen Altersgruppen ist viel, viel, viel geringer. Wenn jetzt die Impfung bei den über 50-Jährigen durch ist, dann würden ja schon 99 Prozent der Todesfälle verhindert werden.
99 Prozent?
Ja, klingt erstaunlich, ist aber ähnlich wie bei der saisonalen Influenza. Denn 99 Prozent der Sterbefälle treten bei den über 50-Jährigen auf. Sind diese alle doppelt geimpft, werden nahezu alle diese Todesfälle verhindert. Die über 65-Jährigen sollten sich aber auch noch eine Nachimpfung idealerweise im Oktober in Vorbereitung auf die Winterwelle holen.
Impfen sollten sich aber auch Jüngere?
Natürlich, vor allem aber diejenigen mit einer Vorerkrankung. Jeder muss die Erstinfektion irgendwie durchmachen, besser mit der Impfung. Es gibt ja nur die zwei Möglichkeiten: Infektion oder Impfung. Nach der Erstinfektion werden die Reinfektionen in den Folgejahren viel, viel milder verlaufen. Auch bei den Jugendlichen. Deshalb wird die STIKO ab dem nächsten Jahr die Impfung sehr wahrscheinlich auch nur für die über 60-Jährigen empfehlen.
Heißt das im Umkehrschluss, dass, wenn die Endemie beginnt, es für alle anderen, auch die Kinder, in Zukunft keine Impfempfehlung geben wird?
Davon gehe ich aus, es sei denn ein Impfstoff mit Nebenwirkungen, die geringer sind als das Risiko bei einer Infektion der Kinder, wird zugelassen. Falls nicht, werden sich alle als Kinder und Jugendliche erstinfizieren und dann alle paar Jahre den Immunschutz natürlich auffrischen. Wenn die Abwehrkräfte im Alter nachlassen, wird dann die Impfung empfohlen werden, so wie jetzt bei der Influenza. Es gibt eine tolle Studie der Uni Heidelberg, die letzte Woche veröffentlicht wurde, von Kindern. Da hat man gesehen, dass Kinder, selbst wenn sie sich infizieren ohne nennenswerte Symptome zu haben, eine robuste Immunität aufbauen. Die auch gut anhält. Und dass Kinder auch viel seltener Erwachsene anstecken. Und vielmehr die Erwachsenen die Kinder infizieren.