Jahrzehntelang haben Berliner Jugendämter nach einem Modell des Pädagogen Helmut Kentler Kinder an pädophile Pflegeväter vermittelt. Eine neue Studie zeigt: Dahinter steckt ein großes Netzwerk.
Es ist kein Einzelfall. Allzu oft schon hat man diesen Satz gehört, wenn es um die Aufarbeitung sexuellen
[Links nur für registrierte Nutzer] geht. Nun zeichnet sich auch im Fall des Berliner „Kentler-Experiments“ ab, dass ein ganzes Netzwerk dahintersteckt: Offenbar jahrzehntelang wurden Kinder, die als schwer erziehbar galten, mitunter auch behindert waren,
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Ende der sechziger Jahre initiierte der Sozialpädagoge und Sexualwissenschaftler Helmut Kentler (1928 bis 2008) einen Modellversuch für die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe. Kämen „jugendliche Herumtreiber“ bei Päderasten unter, so seine perfide Logik, ließen sie sich viel leichter sozial integrieren, weil nur pädophile Pflegeväter in der Lage seien, diese „schwachsinnigen“ Kinder und Jugendlichen auszuhalten und zu lieben.
Von 1966 bis 1974 war Kentler Abteilungsleiter im Pädagogischen Zentrum (PZ) in Berlin, das dem Senator für Schulwesen direkt unterstellt war. Als die Senatsverwaltung verlangte, Veröffentlichungen dürften „unter Umständen erst nach Kenntnisnahme durch das Abgeordnetenhaus erfolgen“, trat Gründungsdirektor Carl-Ludwig Furck 1970 unter Protest zurück. Kentler dagegen nutzte seine Stellung, um die Politik der Senatsverwaltung zu beeinflussen, für die er auch als Berater und Gutachter tätig war. Noch bis Anfang der 2000er Jahre existierten von ihm initiierte Pflegestellen bei pädophilen, zum Teil auch wegen Sexualdelikten vorbestraften Männern.