NZZ / Wissenschaft / 03.08.2018
Den Mars zur Erde zu machen, ist keine Option
Der Mars war nicht immer so abweisend wie heute. Seit langem geistert daher die Idee durch den Raum, er lasse sich mit technischen Mitteln wieder lebensfreundlicher machen. Wer so argumentiert, verkennt die Realitäten.
Den Mars zu kolonisieren, ist eine Idee, mit der nicht nur Science-Fiction-Autoren spielen. Auch Raumfahrtpioniere wie
Elon Musk oder
Jeff Bezos liebäugeln mit dem Gedanken, auf unseren
Nachbarplaneten auszuweichen, falls es auf der Erde zu ungemütlich werden sollte. Dass der Mars heute ein lebensfeindlicher Planet ist, ficht sie nicht besonders an. Die Visionäre bauen darauf, dass sich der rote Planet mit
technischen Mitteln so umformen lässt, dass er bewohnbar wird.
Terraforming nennt man das.
Eine Publikation in der Fachzeitschrift «Nature Astronomy» versetzt dieser Idee nun einen empfindlichen Dämpfer. Dort rechnen zwei amerikanische Forscher vor, dass es mit heutiger Technik
nicht möglich ist, genug Kohlendioxid für einen nennenswerten Treibhauseffekt zu mobilisieren.
Zu kalt und zu wenig Druck
Vergleicht man den Mars mit der Erde, ist es auf unserem Nachbarplaneten nicht nur viel kälter; er besitzt auch eine sehr viel dünnere (hauptsächlich aus Kohlendioxid bestehende) Atmosphäre. Beides zusammen sorgt dafür, dass auf der Marsoberfläche
kein flüssiges Wasser (mehr) existieren kann. Das liesse sich ändern, indem man durch die
Freisetzung von Treibhausgasen sowohl den Atmosphärendruck als auch die Temperatur auf dem Mars erhöht.
Von den beiden Treibhausgasen, die auf dem Mars in nennenswerten Mengen vorkommen, scheidet Wasser von vorneherein aus. Denn bei den tiefen Temperaturen kann die Marsatmosphäre nicht genug Wasserdampf aufnehmen. Bleibt also nur die Option
Kohlendioxid. Dass die Marsatmosphäre vor einigen Milliarden Jahren sehr viel mehr CO2 enthalten hat als heute, ist unbestritten. Unklar ist allerdings, wie viel davon heute noch in den
Eiskappen und im
Boden des roten Planeten vorhanden ist.
Denn ein relativer grosser Prozentsatz des CO2 ist in den Weltraum entwichen und damit unwiderruflich verloren gegangen.
Hier setzt die Arbeit von Bruce Jakosky und Christopher Edwards von der University of Colorado in Boulder an. Gestützt auf die zahlreichen Erkenntnisse, die man in den letzten 20 Jahren über den Mars gewonnen hat, überschlagen die beiden Forscher, wie gross die noch
vorhandenen CO2-Reserven sind und welche Mittel nötig sind, um sie zu mobilisieren. Das Ergebnis ist ernüchternd. So liesse sich das in den Polkappen gespeicherte Kohlendioxid zwar relativ leicht freisetzen – etwa durch
Sprengungen oder durch eine Staubschicht, die mehr Sonnenlicht absorbiert und das Eis so zum Schmelzen bringt. Gewonnen wäre dadurch jedoch nur wenig. Der Atmosphärendruck liesse sich dadurch lediglich von
6 auf 12 Millibar verdoppeln. Zum Vergleich: Der Luftdruck auf der Erde beträgt
1000 Millibar.
Zu wenig CO2
Die Polkappen sind nicht das einzige Reservoir für CO2. So heftet sich das Gas zum Beispiel an Staubpartikel, die auf dem Mars reichlich vorhanden sind. Durch
Zufuhr von Wärme liesse es sich wieder lösen. Das Gas könnte auch in eisförmigen Verbindungen (sogenannten Klathraten) eingelagert sein. Zudem hat man auf dem Mars vereinzelt carbonathaltige Mineralien nachgewiesen.
Nach einer sorgfältigen Abschätzung kommen die Forscher zu dem Schluss, dass auch diese CO2-Quellen
nicht ergiebig genug sind, um aus dem Mars einen lebensfreundlichen Planeten zu machen. Damit flüssiges Wasser stabil ist, müsste seine Temperatur
um 60 Grad erhöht werden. Mit Ach und Krach, so die Autoren, liessen sich vielleicht ein Atmosphärendruck von
20 Millibar und eine
Erwärmung um 10 Grad bewerkstelligen.
Alles andere würde Anstrengungen erfordern, die weit über unsere technischen Möglichkeiten hinausgehen.
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