Man kann die Neigung der Deutschen zu «Geiz ist geil» beklagen oder sich über die Buchhalter-Nötzli-Mentalität der Schweizer lustig machen. Man kann die Haltung der Bürger schizophren oder heuchlerisch nennen, aber am Ergebnis ändert dies nichts. Sobald die Bekämpfung der Erderwärmung den Wohlstand mindert, stösst der Klimaschutz selbst in der Altersgruppe auf Zurückhaltung, die aufgrund ihrer Lebenserwartung am meisten davon profitiert. Die freitäglichen Demonstrationszüge sind ein Beispiel für die Kluft zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Faktenlage, weil dort offenkundig ein nicht allzu repräsentativer Teil der Jugend protestiert. Die deutschen Grünen kennen ihre Wähler und haben ihr Wahlprogramm entsprechend wolkig gehalten. Nur häppchenweise rückt Annalena Baerbock mit Details heraus. Sie will «Klimaschutz-Verträge» mit Unternehmen schliessen, um ihnen eine CO
2-neutrale Herstellung schmackhaft zu machen.
Was sich zunächst vernünftig anhört, bedeutet den Einstieg in eine weitere gigantische Subventionsrunde. Denn der Staat müsste die Mehrkosten übernehmen. Wenn ein Stahlwerk mit modernsten Methoden produziert, führt das pro Tonne Stahl zu zusätzlichen Aufwendungen von 100 Euro pro Tonne. Der Preis der Emissionszertifikate liegt derzeit aber nur bei 50 Euro pro Tonne – die Differenz trüge der Steuerzahler.
Deutschland hat bereits wegen einer ineffizienten Förderpolitik für erneuerbare Energie hohe Strompreise (und wegen des überhasteten Atomausstiegs zugleich einen grossen Anteil an besonders schmutzigen Braunkohlekraftwerken). Zusätzliche Mehrkosten und ein neuer Subventionswettlauf sind da kaum vermittelbar.
Die Grünen haben ein Problem mit der Klimajugend
Natürlich könnte man im Gegenzug klimaschädliche Subventionen für den motorisierten Individualverkehr abschaffen, also Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg, lauter Beihilfen, die vor allem in den Taschen der Mittelschicht landen. Die Subventionen machen immerhin neun Milliarden Euro aus, davon lässt sich manche Tonne Stahl bezuschussen.
«Wir streichen umweltschädliche Subventionen.» Dieser Satz im Grünen-Wahlprogramm lässt eigentlich an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Eigentlich. Denn laut einer Sprecherin wollen die Grünen die Pendlerpauschale nicht abschaffen. Sie wissen, warum. Die Mittelschicht ist die wichtigste Wählergruppe der Partei. Solche Verrenkungen zeigen, dass nicht nur die Bürger heucheln, sondern auch die Parteien, indem sie viel von strengen Klimaschutzzielen und wenig von den finanziellen Konsequenzen und der damit verbundenen Umverteilung reden.
Die grössten Heuchler von allen sind die Grünen, da bei ihnen die politische Grundhaltung in der Klimapolitik und die Klarheit der Lösungsvorschläge besonders weit auseinanderklaffen. Dieser Widerspruch zeigt sich auch im Umgang mit Fridays for Future und den angelagerten Milieus. Obwohl deren Anliegen inzwischen weit über den Klimaschutz hinausgehen und – allerdings nicht in Deutschland – bis zum Antisemitismus reichen, zieht die Partei keine Grenze. Schliesslich braucht sie nicht nur die akademische Mittelschicht als Wähler, sondern auch deren rebellierende Kinder.