Die Geschichte von MS/PC-DOS
Die Vorgeschichte
Um 1980 gab es nur ein verbreitetes Betriebssystem für Mikrocomputer. CP/M, das Gary Kildall (Computervisionär und späterer Gründer von Digital Research) bereits seit 1974 entwickelt und ab 1976 kommerziell vermarktete. CP/M lief auf 8-Bit Mikroprozessoren wie dem Intel 8080 (z.B. ALTAIR, IMSAI) und später auf den Z80 CPU’s der Fa. Zilog (z.B. Osborne, Kaypro). Auch für so verbreitete Homecomputer wie dem CPC von Amstrad oder dem C128 von Commodore, die Mitte der 80iger Jahre auf den Markt kamen und über einen Z80-Prozessor verfügten, gab es Anpassungen von CP/M.
Microsoft, 1980 eine kleine Firma mit ca. 40 Angestellten, hatte bereits 1975 die Programmiersprache
Basic für den Minicomputerbausatz Altair der Firma MITS entworfen und später auch Compiler für Fortran und Cobol entwickelt. Die Firma vertrieb zwar seit 1979 eine von AT&T lizensierte UNIX-Variante namens XENIX (angepasst an 16 Bit Mikrocomputer), hatte aber ansonsten kein eigenentwickeltes Betriebssystem im Programm. Mit der Einführung des 8086 von Intel stand seit 1978 ein 16-Bit-Prozessor zur Verfügung (die erste CPU einer langen x86 Linie). Doch dieser (wie andere 16-Bit CPU’s, z.B. von Motorola oder TI) fristete ein “Mauerblümchendasein”. In den ersten Homecomputern, die in der Zeit zwischen 1975 und 1980 auf den Markt kamen, wurden praktisch nur 8-Bit CPU’s wie der Intel 8080, der MOS 6502 oder der Zilog Z80 verbaut.
Tim Paterson
Tim Paterson, ein Allround-Genie bei der US-Firma Seattle Computer Products (SCP), entwickelte bereits 1979 ein 8086-CPU-Board für den S-100 Bus (Altair, IMSAI, Northstar…) und auch einen 8086-Assembler. Das Paket kostete damals 600 US-Dollar. Auch
Microsoft’s Basic wurde auf diese Hardware umgesetzt – mit Patersons Hilfe. Doch Paterson’s Board verkaufte sich nicht besonders gut. Im gleichen Jahr fing Digital Research an, mit CP/M 86 sein 8-Bit-Betriebsystem für dieses Board bzw. den Intel 8086 anzupassen. Weil sich die Fertigstellung dieser 16-Bit CP/M Version ständig verzögerte, entwickelte Paterson bei SCP auch noch ein eigenes 16-Bit-Betriebssystem mit dem Namen
QDOS, das später in
86-DOS umgetauft wurde. Vorgenannte Umstände bilden die Grundlage für die nachfolgende Geschichte, die in mehreren Varianten erzählt wird. Unsere Buch- und Internet-Recherchen haben folgenden Ablauf ergeben:
IBM plant den PC
IBM plante 1980 auch in das Geschäft mit PC’s bzw. mit Homecomputern einzusteigen. Mehrere Quellen behaupten, das ein IBM Manager zu dieser Zeit privaten Kontakt mit Bill Gates Mutter Mary hatte. Das könnte die Erklärung dafür sein, das man im IBM Management zum Entschluß kam, mit Bill Gates einen der vielen “jungen Wilden” über die Ausstattungsmerkmale eines modernen IBM PC’s zu befragen. Bill Gates schlug IBM vor, mit dem Intel 8086 eine leistungsfähige 16Bit CPU zu verwenden und sich damit einen technologischen Vorsprung gegenüber den vielen 8-Bit-Mitbewerbern auf dem heißumkämpften PC-Markt zu verschaffen.
Microsoft könnte bereits ein angepasstes ROM Basic dafür liefern, zudem Compiler für andere Sprachen wie Fortran, Pascal und Cobol. Aber IBM wollte ein echtes Betriebssystem für ihren PC, und das gab es zu diesem Zeitpunkt für 16-Bit CPU’s noch nicht. Zum Betrieb unter Unix (Xenix) war der Intel 8086 aufgrund mangelnder Power und der fehlenden Trennung von User- und Kernel-Mode nicht geeignet. Zeit zu einer völligen Neuentwicklung hatte IBM nicht, die selbst gesetzten zeitlichen Fristen waren zu knapp dafür.
Microsoft mit der Entwicklung zu beauftragen war IBM zu riskant, denn der jungen Firma fehlte jegliche Erfahrung mit der Konzeption eines modernen PC-Betriebsystems. Auch Bill Gates selbst empfahl IBM, doch mit
Digital Research Kontakt aufzunehmen, dem damaligen Marktführer für Mikrocomputer-Betriebssysteme. DR hätte mit dem in der Entwicklung befindlichen CP/M 86 kurzfristig ein brauchbares 16-Bit Diskettenbetriebssystem anbieten können. Über die Gründe, warum keine Übereinkunft zwischen IBM und DR zustande kam, gibt es viele Gerüchte. Die am öftesten erzählte Version (Legende?) besagt, das Gary Kildall (CEO von Digital Research) sich mit seinem Privatflugzeug vergnügte und seiner (durchaus kompetenten) Frau Dorothy McEwen die Verhandlungen überließ. Geschäftliche Verhandlungen mit einer Frau dürften zur damaligen Zeit eine ziemliche Zumutung für die extra angereisten IBM Manager gewesen sein. Mit Sicherheit war auch das von IBM geforderte ‘Non Disclosure Agreement’ (Stillschweigeabkommen) ein Problem bei den Verhandlungen. Wie auch immer es gelaufen sein mag, man kam jedenfalls zu keiner Einigung. IBM wendete sich daher wieder an Microsoft. Unter ‘
[Links nur für registrierte Nutzer] findet sich ein Film über das Leben von Gary Kildall. Suchen Sie einfach nach dem Begriff ‘Gary Kildall’. Darin werden Mitarbeiter Gary Kildall’s u.a. auch zu den Verhandlungen mit IBM befragt.
IBM nimmt Microsoft ins Boot
Nachdem der Ball nun wieder bei Microsoft lag, erinnerte sich Bill Gates wieder daran, das Tim Paterson für die Hardwarefirma SCP (siehe oben) ein 8086 Board für den S-100 Bus und ein eigenes Betriebssystem namens
QDOS (Quick and Dirty Operating System) entwickelt hatte.
Unter dem Druck, den Auftrag von IBM zu erhalten, setzte Gates sich mit SCP in Verbindung und bot ihnen die
Vermarktung von QDOS an. Mit diesem Vertrag (er kostete MS ca.
10.000 US$) und dem für den 8086 entwickelten Betriebssystem im Koffer ging Gates zu IBM und bekam am 6. November 1980 tatsächlich den Auftrag von IBM.
Ende des Jahres erhielt Microsoft den ersten IBM-Prototypen – allerdings jetzt mit dem billigeren 8088-Prozessor (16-Bit-Datenbus intern, extern jedoch nur 8 Bit) – und begann unter Zeitdruck und strengsten Sicherheitsauflagen von IBM, Patersons 86-DOS (so hiess QDOS jetzt) an die IBM-Hardware anzupassen. Dies war offensichtlich nicht ganz einfach, denn 1981 wechselte Paterson von SCP zu Microsoft, um dem MS-Entwicklern bei der Portierung zu helfen.
Erst kurz vor der Auslieferung des IBM PC’s, also ca. Juli 1981, kaufte Microsoft SCP die kompletten Rechte an 86-DOS für
50.000 US-Dollar ab. SCP und auch Paterson wussten zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht, für welchen potenten Kunden MS das neue Betriebsystem brauchte. Und auch nicht, welch vorteilhaften Vertrag Microsoft mit IBM geschlossen hatte.
Dieser beinhaltete u.a., das Microsoft an
jeder Kopie des Betriebssystems
mitverdienen sollte, das mit einem IBM-PC ausgeliefert werden würde. Ausserdem behielt Microsoft sich das Recht vor, sein DOS auch an andere Firmen zu linzensieren.
Das IBM diese Bedingungen akzeptiert hat, kann nur damit erklärt werden, das man dem eigenen Produkt keine großen Marktchancen einräumte. Im Nachhinein betrachtet jedenfalls ist dieser Vertrag ein intelligenter, durchdachter und cleverer Schachzug von Bill Gates gewesen und begründet maßgeblich den heutigen Erfolg des Unternehmens. Bei aller Kritik, die aufgrund der umstrittenen Geschäftspraktiken in den folgenden Jahrzehnten über Microsoft und Bill Gates hereinprasselte: das unternehmerische Risiko, das der junge Microsoft-Boss damals auf sich genommen hat, ist enorm.
Bill Gates muß damals klar gewesen sein: wenn er bei der Erstellung von DOS scheitert, könnte die übermächtige IBM die kleine, aber florierende Firma Microsoft mit Gerichtsprozessen überziehen. Vermutlich hätte Microsoft danach nie wieder einen Fuß auf den Boden gebracht. Paterson hat in einigen Interviews klargestellt (u.a. Forbes), das sein 86-DOS nur durch Microsoft zu dem wurde, was es heute ist. Seattle Computer Products sei eine Hardware-Firma gewesen und kein Softwarehersteller. Von daher hätte es Sinn gemacht und wäre zum damaligen Zeitpunkt auch kein schlechtes Geschäft gewesen, 86-DOS für nur 50.000 US-Dollar an Microsoft zu verkaufen. Mit dem 86er-Board sowie dem zugehörigen QDOS war die Jahre zuvor kein Geld zu verdienen gewesen. Auch wehrt sich Paterson gegen die Vorwürfe, bei der Erstellung von 86-DOS CP/M 2.2 als Vorlage benutzt zu haben. In seiner Publikation “The Origins of DOS” behauptet er, das 86-DOS nur auf Befehlsebene CP/M ähnelt, nicht aber im Code. Vor allem die Dateisysteme seien sehr unterschiedlich.
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