rbb24 / 14.06.2022
Antijüdische Symbolik
Wittenberger "Judensau"-Schmähplastik darf nach BGH-Urteil bleiben
Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Eine antijüdische Plastik an der Stadtkirche in Wittenberg muss nicht entfernt werden, wie von einem Kläger gefordert. Das Urteil ist auch von Bedeutung für Brandenburg.
Die als
Wittenberger "Judensau" bekannte Schmähplastik darf weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt bleiben. Der Bundesgerichtshof wies am Dienstag die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg ab.Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.
BGH: Kirche hat sich "erfolgreich distanziert"
Der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer "gegenwärtigen Rechtsverletzung" fehle, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters des VI. Zivilsenats zur Begründung. Die Beklagte habe den ursprünglich rechtsverletzenden Zustand dadurch beseitigt, dass eine Bodenplatte und ein Aufsteller angebracht wurden. Bei Gesamtbetrachtung habe die beklagte Kirche sich erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert.
Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die "Judensau" gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.
Zuvor hatte das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) bereits entschieden, dass das Relief nicht beseitigt werden muss, weil es seit 1988 in ein Gedenkensemble eingebunden sei. Auf einem Mahnmal befindet sich unter anderem ein Erklär-Text, in dem sich die Gemeinde von der Skulptur distanziert.
Ähnliche Fälle in Brandenburg
Der Streit in der Lutherstadt von Sachsen-Anhalt hat grundsätzliche Bedeutung. In Europa gibt es geschätzte
50 weitere ähnliche Darstellungen einer sogenannten
Judensau an Kirchen, alleine in Deutschland sind es über
30. Auch in der Maria-Magdalenen-Kirche im brandenburgischen Eberswalde oder im Säulenkapitell im Kreuzgang des früheren Klosters im Brandenburger Dom (Brandenburg an der Havel) finden sich ähnliche Schmähplastiken.
Innerhalb der Kirche wird in letzter Zeit wieder stärker debattiert, wie die christliche Kirche mit ihrem
antijudaistischen Erbe umgehen soll. Das evangelische Domstift Brandenburg lässt etwa die Geschichte dieser ältesten bekannten antijüdischen Schmähplastik erforschen, um die Darstellung künftig mit Erläuterungen stärker im historischen Kontext zu zeigen.
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