Teil A
Freizügigkeit der Arbeitnehmer
Eine der vier Freiheiten der EU-Bürger ist die
Freizügigkeit der
Arbeitnehmer. Dazu gehören das Recht der Arbeitnehmer, sich frei zu bewegen und niederzulassen, das Zuzugs- und Aufenthaltsrecht für Familienmitglieder und das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat der EU zu arbeiten und ebenso wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden. Für den öffentlichen Dienst gelten Einschränkungen. Die Europäische Arbeitsbehörde ist als spezielle Agentur für die Förderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auch der entsandten Arbeitnehmer, zuständig.
Rechtsgrundlage
Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 20, Artikel 26 und die Artikel 45-48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Ziele
Die
Freizügigkeit der
Arbeitnehmer ist seit jeher eines der Gründungsprinzipien der EU. Sie ist in Artikel 45 AEUV festgelegt und stellt ein Grundrecht der Arbeitnehmer dar, das den freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr innerhalb des europäischen Binnenmarkts ergänzt. Sie schließt die
Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden
unterschiedlichen Behandlung in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ein.
Darüber hinaus sieht dieser Artikel vor, dass ein EU-Arbeitnehmer das Recht hat, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben, sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, sich dort zur Ausübung einer Beschäftigung aufzuhalten und danach unter bestimmten Bedingungen zu verbleiben.
Einige Nicht-EU-Bürger haben das Recht, in einem Mitgliedstaat zu arbeiten, und sind EU-Bürgern hierbei gleichgestellt. Staatsangehörige Islands, Liechtensteins und Norwegens (d.h. Staatsangehörige der Nicht-EU-Länder, die Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums sind) können in der EU arbeiten, wobei sie dieselben Rechte und Pflichten wie EU-Arbeitnehmer haben. Die EU hat zudem mit anderen Nicht-EU-Ländern Sonderabkommen geschlossen.
Errungenschaften
Laut Eurostat-Daten lebten
2020 3,8% der EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter (von 20 bis 64 Jahren) in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, im Vergleich zu
2,4% im Jahr
2009. Darüber hinaus wurden
1,5 Millionen Grenzgänger und
3,7 Millionen entsandte Arbeitnehmer registriert.
Aufgrund pandemiebedingter Beschränkungen ging die Zahl der entsandten Arbeitnehmer seit 2019 um 4,5 Millionen zurück. Im Vergleich zu 2019 sank auch die Beschäftigungsquote mobiler Arbeitnehmer um 2,6 Prozentpunkte auf 72,7%, während die Beschäftigungsquote der nichtmobilen Arbeitnehmer einen geringeren Rückgang um 0,5 Prozentpunkte auf 73,3% verzeichnete. Der Anteil der mobilen EU-Bürger ist in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und reicht von 0,8% in Deutschland bis zu 18,6% in Rumänien.
A. Die derzeit geltende allgemeine Regelung der Freizügigkeit
Das Grundrecht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist seit den 1960er Jahren in verschiedenen Verordnungen und Richtlinien verankert. Die Gründungsverordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Verordnung (EWG) Nr. 1612/68) und die ergänzende Richtlinie zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen (Richtlinie 68/360/EWG des Rates) wurden mehrfach aktualisiert. Derzeit sind die wichtigsten EU-Vorschriften die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt, die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Verordnung (EU) 2019/1149 zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde.
1. Reise- und Aufenthaltsrechte der Arbeitnehmer
Mit der Richtlinie 2004/38/EG wurde die Unionsbürgerschaft als Grundstatus für Angehörige von Mitgliedstaaten eingeführt, die ihr Reise- und Aufenthaltsrechtsrecht im Hoheitsgebiet der Europäischen Union ausüben.
Jeder EU-Bürger ist berechtigt, sich in den ersten drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen EU-Landes ohne Bedingungen und Formalitäten aufzuhalten, sofern er über einen gültigen Personalausweis oder Reisepass verfügt.
Bei längeren Aufenthalten kann der Aufnahmemitgliedstaat von Bürgern verlangen, ihren Aufenthalt binnen einer angemessenen und nicht diskriminierenden Frist zu melden.
Das Recht von EU-Bürgern, sich länger als drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Für diejenigen, die keine Arbeitnehmer oder selbstständig sind, hängt ihr Aufenthaltsrecht davon ab, ob sie über genügend Mittel verfügen, um das Sozialhilfesystem des Aufnahmemitgliedstaats nicht zu belasten, und ob sie krankenversichert sind. Das Aufenthaltsrecht haben auch Studierende und Auszubildende sowie (unfreiwillig) Arbeitslose, die sich als arbeitslos gemeldet haben.
Jeder EU-Bürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten hat, erwirbt das dauerhafte Aufenthaltsrecht.
Mit der Richtlinie wurde die Familienzusammenführungaktualisiert, indem die Definition des „Familienangehörigen“, die sich zuvor nur auf Ehegatten, Verwandte in absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder denen Unterhalt gewährt wird, und Verwandte in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird, erstreckte, auf eingetragene Lebenspartner ausgedehnt, wenn nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt wird. Unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit verfügen diese Familienangehörigen des Arbeitnehmers über ein Aufenthaltsrecht in demselben Land.
2. Beschäftigung
Die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 enthält Vorschriften zu Beschäftigung, zur Gleichbehandlung und für Familienangehörige von Arbeitnehmern. Jeder Angehörige eines Mitgliedstaats ist berechtigt, eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat nach den für die Arbeitnehmer dieses Staats geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften zu suchen. Die Mitgliedstaaten dürfen keine diskriminierenden Praktiken anwenden, wie z. B. die Beschränkung von Stellenangeboten auf Staatsangehörige oder Sprachkenntnisse, die über das hinausgehen, was für die betreffende Stelle angemessen und notwendig ist.
Ferner hat ein mobiler Arbeitnehmer den Anspruch, dort die gleiche Unterstützung zu erhalten, die die Arbeitsämter des Aufnahmemitgliedstaats den eigenen Staatsangehörigen gewähren, und er oder sie hat ferner das Recht, sich lange genug in dem Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten, um nach Arbeit suchen, sich auf eine Stelle zu bewerben und eingestellt werden zu können.
Dieses Recht gilt in gleicher Weise für alle Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob es sich um Festangestellte, Saisonarbeiter, Grenzarbeiter oder um Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung ausüben, handelt.
Diese Regeln gelten jedoch nicht für entsandte Arbeitnehmer, da sie nicht von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen: Vielmehr machen die Arbeitgeber von ihrer
Dienstleistungsfreiheit Gebrauch, wenn sie Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland zu entsenden. Entsandte Arbeitnehmer werden durch die EU-Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern (Richtlinie (EU) 2018/957 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG) geschützt, die in Bezug auf die Entlohnung die gleichen Vorschriften wie für die inländischen Arbeitnehmer im Aufnahmeland vorsieht und den Zeitraum regelt, nach dem das Arbeitsrecht des Aufnahmelandes gilt (2.1.13).
...
B.,Einschränkungen der Freizügigkeit
Im Vertrag wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, einem Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaats die Einreise oder den Aufenthalt aus
Gründen der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder
Gesundheit zu verweigern. Ausschlaggebend für solche Maßnahmen ist
ausschließlich das
persönliche Verhalten der betreffenden Person, das eine hinreichend
schwere und
tatsächliche Gefährdung darstellen muss, die ein Grundinteresse des Staates berührt. In diesem Zusammenhang sieht die Richtlinie 2004/38/EG eine Reihe von Verfahrensgarantien vor.
...
C. Maßnahmen zur Förderung der Freizügigkeit
Die EU hat große Anstrengungen unternommen, um ein für die Mobilität der Arbeitskräfte günstiges Umfeld zu schaffen. Dazu zählen:
• Die Reform des Systems zur Anerkennung von in anderen EU-Mitgliedstaaten erworbenen Berufsqualifikationen, mit der das Verfahren harmonisiert und vereinfacht werden soll. Dazu gehört die automatische Anerkennung einer Reihe von Berufen im Gesundheitswesen und von Architekten (Richtlinie 2013/55/EG zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG 2.1.6),
• die Ausstellung eines Europäischen Berufsausweises im Jahr 2016 zur Prüfung eines elektronischen Anerkennungsverfahrens für ausgewählte reglementierte Berufe,
• die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, einschließlich der Übertragbarkeit des Sozialschutzes, mittels der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009, die derzeit überarbeitet wird (2.3.4),
• eine Europäische Krankenversicherungskarte (2004) als Nachweis der Versicherung gemäß der Verordnung (EG) Nr.*883/2004 und eine Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (Richtlinie 2011/24/EU),
• Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen (Richtlinie 2014/50/EU),
• die Verpflichtung, Gerichtsverfahren zur Einlegung von Rechtsbehelfen für diskriminierte Arbeitnehmer sicherzustellen und Stellen zur Förderung und Überwachung der Gleichbehandlung zu benennen (Richtlinie 2014/54/EU).
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