Als größter Weltkriegsverlierer scheint das aber wohl nunmal die Natur der Dinge zu sein. Es wäre, objektiv gesehen (also wenn es so eine Art integeren Weltrichter geben würde... was für sich allein schon eine naive Vorstellung ist), anständig, ethisch und fair gewesen, da schon vor langer Zeit einen Strich drunter zu machen, zumal wir als Weltkriegsverlierer ja historisch einmalig pflegeleicht. kooperativ und überaus motiviert zur Sühne der uns angelasteten Verbrechen waren, und zwar so, dass wir den externen Indoktrinatoren die Arbeit abgenommen haben und sie vielleicht noch besser gemacht haben, als sie es jemals gekonnt hätten.
Ich kann das für mich nicht abschließend beurteilen, ob die Panik des Siegers vor einem neueren, posthitlerischen, vielleicht modernisierten/optimierten und infolgedessen erfolgreicheren Nationalsozialismus die Motivation dieser "Übertötung" des eng mit dem Nationalsozialismus verbandelten Deutschen Gesichts durch unsere Befreier war oder, ob das der Eigendynamik der Dinge geschuldet ist, und zwar nach dem Prinzip, dass bei fehlender Selbstachtung und des Sichgehenlassens (nicht zuletzt auch in der Sühne und Selbstgeißelung) andere, unbeteiligte Hanswürste aus allen Ecken hervorgekrochen kommen, die sich dazu berufen fühlen mit draufzuhauen.
Gerade in liberalen Schuldgesellschaften (in Abgrenzung zur Schamgesellschaft) gilt Schweigen bzw. der fehlende Protest bzw. das Übersichergehenlassen ja als ausdrückliche Zustimmung.
Was Moral in der Politik, insbesondere auf dem Parkett der Weltpolitik angeht, habe ich ja schon geschrieben, dass sie dort vor allem als Werkzeug und Eigenwerbung benutzt wird. Das gilt selbstverständlich auch für Putin oder sonstigen Politiker, von dem ich meine, dass er meine politischen Interessen unterstützt.
Dieses Parkett ist durch niemanden reguliert und kontrolliert, es gibt dort keinen RIchter, der bei (moralischer) Schieflage eingreifen kann, was unweigerlich dazu führt, dass dort das Gesetz des Dschungels und des Faustrecht herrscht und es von Natur aus keinen Platz für sowas wie einer aufrichtigen Moral geben kann.
Moralisch integere Kämpfer in einem Ring mit Kampfrichter können durchaus gewinnen, in einem Ring, nur mit deinem darüber schwebenden Herrn als Beobachter, dessen Wege zumal noch für die lebenden Menschen unergründlich sind, wird ein solcher Kämpfer übelst zugerichtet und allenfalls als "Sieger der Herzens" (Mitleidstitel für den Verlierer) herausgehen.
Die Frage, ob du bereit bist als fairer und anständiger Typ mit astrein eingestelltem moralischem Kompass in einen Ring mit gewissenlosen und unempathischen Wesen zu steigen, hast du ja schon damit beantwortet, dass es dich nicht berührt, weil du dich nicht für einen Anführertypen hältst. Warum du dann die Arbeit dieser Anführertypen moralisch bewerten willst, ist dann ja die eigentliche Frage. Natürlich darfst du dich dazu äußern aber musst dir halt auch die Frage gefallen lassen, wie du es denn dann besser machen würdest, und zwar unter gegebenen, realistischen Bedingungen, nicht vor dem Hintergrund von theoretischen Idealen.
Und was nochmal Kissinger angeht, so kann ich dein Zugeständnis an Kissinger auch unterschreiben, mit dem kleinen Zusatz, dass er eine sehr komplizierte Angelegenheit, über die etliche Bücher geschrieben und Dokus erstellt wurden, in einem unkomplizierten und prägnanten Satz punktgenau heruntergebrochen hat. Mehr Zugeständnisse kann ich ihm auch nicht machen und habe ich auch nie gemacht. Ich lasse mich nur nicht in eine Rechtfertigungsposition drängen, die mir irgendwelche Schmalspurmoralisten bzw. richtig harte Heuchler, meinen aufschwatzen zu können, weil sie Dinge hineinlesen wollen.
Danke für die Blumen, ich werde mich jetzt nicht postwendend und der Form halber revanchieren, weil ich dir ähnliches bereits vor Jahren unter deinem ehemaligen Nick geschrieben habe. Du kommst jetzt etwas konzilianter und kompromissbereiter rüber als vor deiner großen Pause, hast das für mich aber auch zu 100% nachvollziehbar erklärt.