Die faszinierende Geschichte der äthiopischen Juden
Israel hat die Alijah (Einwanderung nach Israel) der
äthiopischen Juden wiederaufgenommen. Seit Jahresbeginn sind bereits
391 Neueinwanderer im jüdischen Staat eingetroffen. Dank der Hilfe von Christen weltweit konnte die ICEJ 120 von ihnen sponsern. Sie sind die Vorhut von insgesamt 1.500 äthiopischen Juden, die in diesem Jahr erwartet werden.
Ende eines langen Exils
Spannung lag in der Luft, als sich die Türen des Flugzeugs öffneten und die Neueinwanderer die Stufen der Gangway hinabstiegen. Die historische Bedeutung dieses Moments war fast greifbar zu spüren. Einige dieser heimkehrenden Kinder Israels, der jüngste gerade einmal drei Monate als, der älteste bereits 95 Jahre, fielen auf die Knie und küssten voll Ehrfurcht und Dankbarkeit den Boden des Gelobten Landes – des Landes, das ihre Vorfahren vor fast 3.000 Jahren verlassen hatten. Ihr Exil war zu Ende und sie waren endlich zuhause, in Israel.
Die Herkunft der äthiopischen Juden
Die Suche nach den Ursprüngen der äthiopischen Juden fasziniert Historiker und Theologen seit Jahrhunderten. Der äthiopischen Tradition zufolge wurde der
Königin von Saba in
Äthiopien ein Sohn geboren:
Menelik. Eines Tages besuchte Menelik seinen Vater,
König Salomo (ca. 990-931 v. Chr.) in Jerusalem, der ihm auftrug, das
Judentum nach
Äthiopien zu
bringen.
König Salomo schenkte
Menelik eine
Thorarolle, um das äthiopische Volk im biblischen Glauben zu unterrichten.
Doch es gibt auch andere Überlieferungen:
„Man geht davon aus, dass es sich bei den äthiopischen Juden um den Stamm Dan handelt, der von den Assyrern vertrieben wurde“, erklärte Danielle Mor von der Jewish Agency (Israels Einwanderungsbehörde). „Sie folgten dem Blauen Nil in Richtung Süden und ließen sich schließlich in Äthiopien nieder.“ Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie als Beta Israel („Haus Israel“) bekannt.
Eine mögliche Erwähnung äthiopischer Juden in der Bibel findet sich in der Geschichte des Kämmerers aus Äthiopien, der nach Jerusalem gekommen war, „um anzubeten“ – was auf seinen jüdischen Glauben hindeuten könnte (Apostelgeschichte 8,27).
Die Beta Israel: Eine einzigartige Gemeinschaft
Während der Zeit ihres langen Exils sahen sich die
Beta Israel immer wieder mit immensen Herausforderungen konfrontiert. Sie erlebten religiöse Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt. Trotz allem bewahrten sie ihre jüdische Identität und ihren jüdischen Glauben und sind als Gemeinschaft bestehen geblieben. Heute sind sie ein Beweis für die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und ein Zeugnis der Treue Gottes, der durch den Propheten Jeremia verheißen hatte:
„Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft [...]: Deine Kinder sollen wieder in ihre Heimat kommen.“ (Jeremia 31,17)
Abgeschnitten und isoliert von anderen jüdischen Gruppen entwickelten die Beta Israel eine eigene Form des Judentums. Sie lebten nach der Thora, befolgten aber nicht den Talmud. „Sie praktizierten eine sehr biblische Auslegung des jüdischen Glaubens. Sie folgten den alten, biblischen Traditionen, nicht den Traditionen, die in den letzten 2.700 Jahren entstanden sind“, erläuterte Mor.
1973 urteilte Rabbi Ovadia Yosef, Israels damaliger sephardischer Oberrabbiner, dass die Beta Israel gemäß des jüdischen Religionsgesetzes, der Halacha, jüdisch sind. Nun durften sie nach Israel einwandern.
Schon seit Generationen
sehnten sich die äthiopischen Juden nach
Zion und träumten von ihrer Rückkehr ins Gelobte Land, dem Land ihrer Vorväter, in dem Milch und Honig fließt.
Nach der Staatsgründung Israels knüpften sie erste Kontakte zu Israelis und einige wenige äthiopische Juden ließen sich in Israel nieder. Doch erst gegen Ende der 1970er Jahre, als bereits tausende Beta Israel auf tragische Weise ihr Leben verloren hatten, begann die historische Rückkehr dieser einzigartigen Gemeinschaft ins Land Israel.
Bürgerkrieg in Äthiopien
1974 stürzte Haile Selassie, letzter Kaiser von Äthiopien, und Mengistu Haile Mariam putschte sich an die Macht. Unter dem neuen marxistisch-leninistischen Regime wurden Juden zur Zielscheibe von Verfolgung, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen. Die Ausübung des jüdischen Glaubens und das Studium der hebräischen Sprache wurden verboten, führende äthiopische Juden wurden unter dem Vorwurf, sie seien „zionistische Spione“, inhaftiert und gefoltert. Die brutale Gewalt und die durch den andauernden äthiopischen Bürgerkrieg verursachte Hungersnot zwang tausende äthiopische Juden auf die gefährliche Flucht ins Nachbarland Sudan. Rund 4.000 von ihnen kamen auf dem langen und beschwerlichen Fußmarsch ums Leben - verhungert, verdurstet oder von Kriminellen erschlagen.
Israels legendäre Rettungsaktionen
Getarnt als Betreiber eines luxuriösen Tauchresorts am Roten Meer, evakuierten Agenten des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad von 1977-
1984 rund
7.000 äthiopische Juden über den See- und Luftweg aus dem Sudan nach Israel
(„Operation Brüder“). Innerhalb weniger Wochen wurden zwischen November 1984 und Januar 1985 im Zuge der Operation Mose weitere rund
8.000 äthiopische Juden nach Israel geflogen. Dann drang Nachricht über die Evakuierungsflüge an die Öffentlichkeit und die streng geheime Rettungsaktion kam zu einem jähen Halt. Hunderte im
Sudan gestrandete Juden konnten jedoch später von den USA ausgeflogen werden.
Anfang
1991 überschlugen sich in Äthiopien die Ereignisse. Das Mengistu-Regime stürzte und es war unklar, wie sich die neuen Machthaber in Addis Abeba den Juden gegenüber verhalten würden. Besorgt um das Leben ihrer äthiopischen Brüder starteten die Israelis Operation Salomo. Innerhalb nur 36 Stunden flogen Maschinen der israelischen Fluggesellschaft El Al und der israelischen Luftwaffe im Dauereinsatz
14.325 äthiopische Juden nach Israel. Während einem dieser Flüge beförderte eine Boeing-747 zeitgleich
1.087 Passagiere, bis heute ein Weltrekord.
Auf das Glück, nach Israel zu kommen, folgte nun die Herausforderung einer neuen Kultur, Sprache und Lebensweise. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten ist die Alijah der Beta Israel zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Sie haben sich in Bereichen wie Medizin, Wissenschaft und Militär hervorgetan und gleichzeitig ihr kulturelles Erbe bewahrt.
Das Dilemma der Falasch Mura
Allerdings mussten viele der
Beta Israel in Äthiopien Verwandte zurücklassen, die der Gruppe der
Falasch Mura zugerechnet werden.
Falasch Mura sind Äthiopier, deren jüdische Vorfahren im 19. und 20. Jahrhundert zum Christentum konvertierten, teilweise unter Zwang oder aus wirtschaftlicher Not. Sie werden von Israel
nicht als Juden anerkannt und dürfen demnach nicht entsprechend des Rückkehrgesetzes, das jedem Juden Anspruch auf die israelische Staatsangehörigkeit gewährt, einwandern. 2003 stimmte die israelische Regierung jedoch ihrer Einwanderung unter bestimmten Voraussetzungen zu. Einige Falasch Mura sind mit Beta Israel verheiratet oder verschwägert und dürfen aus humanitären Gründen zum Zweck der Familienzusammenführung einwandern.
Sehnsucht nach ihren Familien
Heute leben in Israel rund
165.000 äthiopisch-stämmige Juden, etwa die Hälfte von ihnen ist in Israel geboren. Viele sehnen sich danach, ihre Verwandten nach Israel zu holen und sie wieder in die Arme zu schließen.
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