Da die Diskussion durch meinen Vorredner wohl erstickt wurde, nutze ich jetzt dieses Forum auch einmal dafür, einen längeren Monolog darzubieten. Gestern erschien mir Thomas Hobbes und äußerte sich zu aktueller gloabler Politik:

Was Thomas Hobbes zu den Perspektiven von Global Governance sagen würde

Wenn es nun darum ginge, eine adäquate Form kollektiven globalen Handelns zu etablieren, dürfen wir nicht darum herum reden, dass wir eine globale Sanktionsgewalt benötigen, welche die Einhaltung globaler Normen kontrolliert. Momentan gleich die internationale Staatenwelt meinem skizzierten Naturzustand. Die für sich selbst verantwortlichen und souveränen Staaten entsprechen dabei den Menschen, die im Naturzustand das Recht auf alles haben, was ihrer Selbsterhaltung dient. Dabei werden sie im Zweifel jegliche weitsichtige kooperative Handlungsweise ad acta legen, sobald grundlegende individuelle bzw. staatliche Interessen bedroht werden. Dies wird sich erst dann ändern, wenn die Kosten eines solchen Handelns den Nutzen der Freiheit bzw. der Souveränität im internationalen System übersteigen. Kosten sind dabei ein nicht funktionierender Wettbewerb ohne ein Minimum an sozialem Ausgleich und ohne bewusstere ökologische Vorsorge. Die Folgen dieser Handlungsweise werden durch die Vernetzung der Kommunikations- und Informationskanäle deutlicher, es wird den Menschen vor Augen geführt, welche Auswirkungen Armut hat, welche Schäden der Umwelt zugefügt werden. Wenn es dann soweit kommt, dass auch die stärkeren Staaten des Staatensystems bedroht werden von der Armut, dem unverträglichen Bevölkerungswachstum, den ökologischen Gefahren, dann ist ähnlich wie im Naturzustand, als jedem bewusst wurde, dass eine individuelle Sicherheit in diesem System der gegenseitigen Bedrohung nicht gewährleistet ist, ein kooperatives Verhalten denkbar. In Hinblick auf die Weltressourcen muss der Weg beinahe unabdingbar dorthin führen. Dies wiederum entspricht den von mir bereits vor beinahe 400 Jahren formulierten Knappheitsbedingungen. Allerdings wird es ohne sanktionsbewährte Maßnahmen weiterhin immer zu dem Phänomen des free-rider-Verhaltens kommen, das durchaus auch von Staaten, die sich eigentlich kooperativ verhalten wollen, aber in Voraussicht des unkooperativen Verhaltens anderer Staaten, ebenfalls hauptsächlich um ihre eigenen Vorteile bemühen. Und damit wird es weiterhin bei der Konkurrenz unter den Nationalstaaten bleiben, ja diese wird durch die Knappheitsbedingungen weiter verschärft. Damit lässt sich auch der Wettlauf vieler Staaten um den Zugang zu Energiequellen erklären. Dass dieses Verhalten basierend auf einem Konkurrenzdenken und dem entsprechenden Misstrauen gegenüber jeglichem Mitbewerber sehr kostenintensiv ist, zeigte nicht zuletzt die Phasen der Aufrüstung während des Kalten Krieges. Hierbei lässt sich auch meine Aussage über den Frieden unterstreichen, der nämlich nicht nur durch die Abwesenheit von Krieg definiert wird. Denn auch potenzielle Sicherheitsbedrohungen erhalten immer wieder globale Bedeutung.
Die Frage nach dem Ausgang aus diesem Zustand gegenseitiger Konkurrenz und Bedrohung wurde in Sachen Naturzustand von mir dem Leviathan beantwortet. Ein absoluter Staat, der alle Souveränität auf sich vereinigt und damit absolut handlungsfähig ist, wodurch er für die Sicherheit, aber auch für den Wohlstand des Staates sorgen kann.
Nun leuchtet auch mir bereits ein, dass auf internationaler Ebene ein solcher Leviathan keineswegs etablierbar wäre. Also will ich hier die momentan aktuellen Vorschläge diskutieren: Man sollte ja davon ausgehen, dass die Staaten gemäß der bekannten Bedürfnispyramide als erstes besorgt um ihre Sicherheit sein sollten. Und tatsächlich sind hier bezüglich der UN auch bereits die größten Erfolge zu verzeichnen. Dennoch kann das Organ des Sicherheitsrates nicht als wirklich handlungsfähig bzw. –relevant gelten, denn bevor es hier zu Beschlüssen kommt, müssen alle Mitglieder einstimmig zustimmen. Und dabei haben wir wiederum mein bereits vieldiskutiertes Problem der Entscheidungsblockade in demokratischen Systemen. Allerdings wird dies hier noch potenziert, da in einem internationalen Gremium gemeinsame Hintergründe, die eventuell zu einer einheitlichen Entscheidung beitragen könnten, noch viel schwerer auszumachen sein werden.
An diesem Beispiel kann im Grunde schon verdeutlicht werden, dass international handlungsfähige kooperative Politik ohne Zugeständnisse der Nationalstaaten in Sachen Souveränität keine wirkliche Bedeutung erlangen wird. Zwar hat der Prozess globaler Normengebung bereits zu gewisser Selbstbindung der Staaten in bestimmten Bereichen geführt, aber das letzte Wort wird doch immer noch auf nationaler bzw. eventuell noch regionaler Ebene gesprochen. Von einer globalen Staatlichkeit kann sicherlich in keinster Weise die Rede sein.
Es wird nun behauptet, dass eine angestrebte Weltrepublik aus einem System geteilter Souveränitäten bestehen müsste. Dies kann natürlich meiner Meinung nach nicht funktionieren. Eine Teilung der Souveränität wird jegliches staatliches Gebilde von vornherein zum Scheitern verurteilen. Eine Weltrepublik wäre nur dann denkbar, wenn sich die Nationalstaaten allesamt zur Abgabe ihrer Souveränität verpflichteten, diese einem absolut herrschenden Gremium überlassen würde. Dabei spielte eine nachträgliche Kontrolle des entstandenen Souveräns auch keine Rolle mehr, denn dieser würde im Sinne seiner Glieder, eben den vormaligen Nationalstaaten handeln. Selbstredend würde auch eine demokratische Verfassung dieses Weltstaates keine Fortschritte bringen, sondern früher oder später im Sand der Kompromisssuche versinken. Handlungsfähigkeit ist ein entscheidendes Wort für diesen Weltstaat, denn wenn diese nicht gegeben ist, kann er seine Funktionen nicht erfüllen. Der Weltstaat muss in der Lage sein, auch gegen Widerstände das globale Recht durchzusetzen. Diese Durchsetzungsmacht ist ohne entsprechende menschliche und sachliche Kompetenz, sowie ohne die Verfügung über eine unabhängige Quelle von Ressourcen in Form globaler Steuern nicht denkbar.
Als Grundlage eines solchen Weltstaates bedürfe es allerdings erst einmal eines weltbürgerlichen Bewusstseins. Hier werden immer wieder hehre Begriffe wie Toleranz, Multikulturalität, Menschenrecht und so weiter ins Feld geführt. Zentrale Kategorie für die Herstellung eines gemeinsamen Bewusstseins, nun kooperative Wege einzuschlagen, kann allerdings nur die Furcht sein. Diese Furcht, das Einsehen in die globalen Interdependenzen und damit die Einsicht, dass alle negativen globalen Auswirkungen auch irgendwann einmal auf alle Nationen zurückfallen werden, sie alleine kann zu kooperativem Handeln führen. Solange aber nicht den vermeintlich starken Nationalstaaten dieses Bewusstsein erwächst, dass auch die Probleme der kleinen und schwachen Staaten einst zu Problemen der gesamten Menschheit werden, solange ist eine Einigung auf dringend notwendiges kooperatives Verhalten nicht absehbar.