+ Auf Thema antworten
Seite 4 von 4 ErsteErste 1 2 3 4
Zeige Ergebnis 31 bis 39 von 39

Thema: Finanzdesaster: Eichel gesteht Scheitern

  1. #31
    Lichtgestalt des Dunklen Benutzerbild von Alphadeutscher
    Registriert seit
    27.04.2003
    Ort
    Südwestgermanien
    Beiträge
    1.783

    Standard

    Original von Siran
    Die Diskussion hatten wir irgendwie schon mal. Das Problem dabei ist, wie man sicherstellt, dass diese Person auch wirklich zum Wohle Deutschlands und nicht zu seinem eigenen Wohl handelt.
    Das geht nicht (oder eben nur theoretisch) - das genau ist ja das Problem!

    Gut wäre bspw. eine gestärkte Position des Kanzlers mit dem Bundestag ohne eigene Macht, sondern nur mit Berater-/Kontrollfunktion!
    Um die schwächeren Glieder der Gemeinschaft davor zu schützen, von unzähligen Geiern aufgefressen zu werden, war es notwendig, dass es ein Raubtier gab, das stärker als die übrigen war und das den Auftrag hatte, jene niederzuhalten. (J.S. Mill: On Liberty)

  2. #32
    Mitglied
    Registriert seit
    18.05.2003
    Ort
    BaWü Kreis LB
    Beiträge
    232

    Standard

    Das wäre doch ein bisschen übertrieben, sozusagen ein Artikel 48 auf Dauer...

  3. #33
    Lichtgestalt des Dunklen Benutzerbild von Alphadeutscher
    Registriert seit
    27.04.2003
    Ort
    Südwestgermanien
    Beiträge
    1.783

    Standard

    Original von Brehn
    Das wäre doch ein bisschen übertrieben, sozusagen ein Artikel 48 auf Dauer...
    So wie es jetzt ist kann es doch wohl auch nicht weiter gehen! Ich denke mal da sind wir uns doch einig oder?! Die ruhige Hand war der allergrößte Fehler!
    Um die schwächeren Glieder der Gemeinschaft davor zu schützen, von unzähligen Geiern aufgefressen zu werden, war es notwendig, dass es ein Raubtier gab, das stärker als die übrigen war und das den Auftrag hatte, jene niederzuhalten. (J.S. Mill: On Liberty)

  4. #34
    Mitglied
    Registriert seit
    18.05.2003
    Ort
    BaWü Kreis LB
    Beiträge
    232

    Standard

    Natürlich muss sich etwas ändern, aber es gibt eben noch einen kleinen Unterschied zwischen Reform und Revolution!

  5. #35
    Lichtgestalt des Dunklen Benutzerbild von Alphadeutscher
    Registriert seit
    27.04.2003
    Ort
    Südwestgermanien
    Beiträge
    1.783

    Standard

    Original von Brehn
    Natürlich muss sich etwas ändern, aber es gibt eben noch einen kleinen Unterschied zwischen Reform und Revolution!
    Also ich sehe mich schon irgendwie als einen kleinen Rebell!
    Um die schwächeren Glieder der Gemeinschaft davor zu schützen, von unzähligen Geiern aufgefressen zu werden, war es notwendig, dass es ein Raubtier gab, das stärker als die übrigen war und das den Auftrag hatte, jene niederzuhalten. (J.S. Mill: On Liberty)

  6. #36
    Mitglied
    Registriert seit
    18.05.2003
    Ort
    BaWü Kreis LB
    Beiträge
    232

    Standard

    Und dabei weder Kommunist noch Faschist!

  7. #37
    A.D. Benutzerbild von Siran
    Registriert seit
    19.04.2003
    Ort
    BW
    Beiträge
    4.765

    Standard

    Bitte, kommt zurück zum Thema.
    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
    (Karl Jaspers)

    Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, daß es der Milchmann ist, dann weiß ich, daß ich in einer Demokratie lebe.
    (Winston Churchill)

  8. #38
    A.D. Benutzerbild von Siran
    Registriert seit
    19.04.2003
    Ort
    BW
    Beiträge
    4.765

    Standard

    DOSSIER

    "War das jetzt in Ordnung?"

    Wie der Sozialdemokrat Hans Eichel seine bisher schwerste Woche als Bundesfinanzminister überstand


    Sechzehn Stunden bevor er die Bundesrepublik Deutschland erschüttern wird, fährt Hans Eichel im Intercity-Express 955 von Hannover nach Berlin. Es ist Mittwochabend vergangener Woche, Eichel hat gerade einen Vortrag vor einem Managerkreis gehalten - es ging darum, wie man die Zukunft gestalten kann. Jetzt sitzt er in der ersten Klasse, auf einem Fensterplatz, und liest die neue Ausgabe von "Auto, Motor und Sport".

    Der Finanzminister hat einen Bericht über den neuen "Fünfer" von BMW aufgeschlagen, die Überschrift heißt "Bruder Leichtfuß". Man kann in dem Artikel etwas über Chris Bangle erfahren; Bangle ist Chefdesigner von BMW, und als er seine Pläne für das Auto vorstellte, hieß es, er müsse gehen, weil sich keiner vorstellen konnte, dass aus den Plänen je ein schönes Auto werden würde. Jetzt ist es fertig und Chris Bangle ein Held.

    Eichel liest den Text langsam, bis zum Ende. Er ist ganz ruhig.

    Er hat noch eine Nacht und einen halben Tag Zeit. Dann wird er vor der Bundespressekonferenz eine neue Katastrophe verkünden. Er wird sagen, dass die Steuerschätzer gerade ein Minus von 126 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre ausgerechnet haben. Und dass es so etwas noch nie gegeben hat.

    Das alles hat sehr viel mit ihm zu tun, dem Ressortchef Finanzen. Aber es kümmert ihn nicht. Er liest Geschichten über schnelle Autos und tolle Designer. Für Eichel ist alles, was jetzt noch kommt, nicht mehr so schlimm wie das, was er schon zwei Wochen vorher erlebt hatte.

    Da war ihm klar geworden, dass Deutschland vor einer Rezession steht. Eichel hatte seine Leute rechnen lassen, und das Ergebnis war noch nicht so dramatisch wie die tatsächliche Zahl der Steuerschätzer, aber dramatisch genug. Sie beendete alle Täuschungs-, vielleicht auch Selbsttäuschungsmanöver. Nichts von dem, wofür er als Politiker stand, hatte danach noch Gültigkeit.

    Die bunten Sparschweinchen, die auf seinem Schreibtisch stehen, waren auf einmal Witzfiguren geworden. Und er war ein Gescheiterter.

    Hans Eichel holte seine Berater zusammen, sie sprachen über eine Strategie. Es gab zwei Möglichkeiten: Man könne bis Donnerstag warten, wenn die Steuerschätzer mit ihren Zahlen kämen - oder gleich etwas tun.

    Am Tisch saß jemand, der immer kühl bleibt, wenn es Hans Eichel schlecht geht. Er war für die zweite Lösung.

    Klaus-Peter Schmidt-Deguelle ist Hans Eichels Medienberater. Er fand, dass man diese Katastrophe vorbereiten müsse. Man könnte ein paar schlechte Nachrichten vorweg schicken, freiwillig, damit es so aussieht, als habe man es immer gewusst. Damit am Donnerstag nur die Finanzen abstürzen, nicht der Finanzminister.

    Hans Eichel hört meistens auf seinen Medienberater. Also machte er sich auf den Weg, erst zum SPIEGEL, dann zu Sabine Christiansen, er empfing Fernsehteams während einer Benefizveranstaltung, bei der er eigentlich nur Spargel schälen wollte. Überall sagte er: Die Neuverschuldung wird explodieren, die Defizitgrenze wird gesprengt, der ausgeglichene Bundeshaushalt wird sich verschieben. Die Weltkonjunktur sei daran schuld.

    Danach ging es ihm besser. Eichel hatte zwar noch eine Woche vor sich, die wahrscheinlich seine schwerste als Finanzminister werden würde, aber er wirkte, als sei schon alles vorbei.

    Am Montag vergangener Woche flog er nach Brüssel, zum Treffen mit den Finanzministern der EU. Er musste ihnen erklären, was in Deutschland passiert war. Einen Tag später warteten Europas Journalisten auf ihn. Eichel saß vor zugezogenen Vorhängen im Kellergeschoss des EU-Ratsgebäudes, es war alles ein bisschen erbärmlich, aber er las flüssig einen Text vom Zettel; er sprach davon, dass man "die automatischen Stabilisatoren wirken lassen" müsse. Es hörte sich alles logisch an.

    Während er so redete, lehnte Klaus-Peter Schmidt-Deguelle an einer Wand und rührte sich nicht. Er war einfach nur da, zur Sicherheit.

    Schmidt-Deguelle hat früher als Journalist gearbeitet, er war Chefredakteur von Vox, er versteht etwas von den Medien. Eichel glaubte, dass er so jemanden brauchen würde, als er 1999 nach Berlin zog. Er kam als abgewählter Ministerpräsident aus Hessen, den man "nasse Nudel" nannte.

    Bald hatte Hans Eichel keine bunten Krawatten mehr, und in den Zeitungen konnte man lesen, dass der Minister nur drei Paar Schuhe habe. Aus Eichel wurde "der eiserne Hans", einer, in dem sich jeder gute Deutsche wiederfinden konnte.

    Der Berater und sein Minister glaubten daran, dass Politiker erfolgreich sein können, wenn man sie erfolgreich inszeniert. Einmal sagte Schmidt-Deguelle, es gehe darum, Rückfälle in alte Gewohnheiten zu verhindern. "Erforderlich ist beständig ein gewisses Nachjustieren." Er sprach über den Minister wie über einen Gebrauchtwagen. Und Eichel hatte nichts dagegen. Er wurde ja immer schneller. Er galt mal als kommender Kanzler.

    Jetzt gibt es ein Problem. Das schöne Image hat sich erledigt.

    "Stimmt", sagt Klaus-Peter Schmidt-Deguelle gelassen. "Im Moment ist er der, der an allem schuld ist."

    Sein Berater weiß aber auch, wie man da wieder rauskommt. Er sagt: "Es wird bis Herbst dauern. Dann haben die Leute verstanden, dass Hans Eichel der war, der die Probleme schon immer vorausgesagt hat. Jetzt ging es erst mal darum, sich ehrlich zu machen und in den Abgrund zu blicken."

    Es ist kurz vor eins am Donnerstag letzter Woche, als Hans Eichel die Treppe zum Saal der Bundespressekonferenz hochgeht. Drei Leibwächter sind bei ihm, sein Pressesprecher und der Medienberater. Eichel lächelt fröhlich. Dann erläutert er die Katastrophe. Der Berater sitzt hinter ihm und kaut auf einem Kaugummi. Eichel macht das gut. Sie haben vorher alles durchgesprochen, er und der Berater. Welche Fragen kommen können, welche Antworten man geben muss. Aber sie sind noch nicht fertig. Sie müssen noch zu den "Tagesthemen", wo ein Interview aufgezeichnet wird, und danach ins ZDF-Hauptstadtstudio, zu den "heute"-Nachrichten.

    Bei der ARD war alles gut gegangen. Jetzt stehen sie in einem ZDF-Fahrstuhl, Eichel guckt in einen Spiegel und kämmt sich die Haare.

    "Genauso wie eben", sagt Schmidt-Deguelle. "Ja, aber ich hab weniger Zeit", sagt Eichel. Er wirkt etwas unsicher.

    Sie gehen in ein kleines Studio, der Minister wird geschminkt, der Berater steht daneben.

    "Ich fang dann an mit: 'Es muss eine große gemeinsame Anstrengung geben'", sagt der Minister.

    Der Berater nickt.

    Dann kommt die erste Frage, und Eichel sagt: "Es muss eine große gemeinsame Anstrengung geben."

    Die letzte Frage dreht sich um ihn. Ob er glaube, dass er noch lange in seinem Amt bleiben werde. "Ja", sagt Eichel, "solange der Kanzler Vertrauen zu mir hat."

    Dann ist er fertig. Vorsichtig dreht er den Kopf zu seinem Berater. "Und? War das jetzt in Ordnung so?"

    Nicht ganz, sagt Schmidt-Deguelle. Das mit dem Kanzler hätte nicht sein müssen - zu defensiv. Eichel kratzt sich am Kopf.

    Aber er hat es erst mal überstanden, diese eine Woche jedenfalls. Es war ein Anfang, jetzt geht es weiter. Er muss Eichel bleiben, er muss das Geld zusammenhalten, er kann sich nicht neu erfinden, nicht mal sein Berater kann das. Eichel sagt, es sei ein Spiel, das er nicht allein spielt. Zum Beispiel ist da noch die SPD. Bald ist Parteitag. Dann kommt es nicht mehr auf Klaus-Peter Schmidt-Deguelle an, sondern auf die Genossen. In der Koalition heißt es, Eichel werde zurücktreten, wenn es ihm nicht gelingt, im Haushalt 2004 die neuen Schulden niedriger zu halten als die Investitionen. Er will kämpfen. Er weiß aber nicht, ob noch jemand auf ihn hört.
    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
    (Karl Jaspers)

    Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, daß es der Milchmann ist, dann weiß ich, daß ich in einer Demokratie lebe.
    (Winston Churchill)

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben