Drei Glatzen greifen die Freundin von Matthias Arnold kurz vor ihrer Wohnung an. "Verräter" und "dich kriegen wir", schreien sie der jungen Frau hinterher, die gerade noch die Haustür hinter sich zuschlagen kann. Dass Arnold und seine Freundin Gunda mit den Kameraden aus der braunen Szene nichts mehr zu tun haben wollen, hat sich schnell herumgesprochen. Monatelang werden sie terrorisiert. Durch Zufall stoßen die beiden auf die Telefonnummer 0171-7136452 des Aussteigerprogramms "Exit". "Ihr müsst sofort aus eurer Wohnung raus", bekommen sie vom Kriminologen und Ex-Staatsschützer Bernd Wagner am anderen Ende der Leitung zu hören. "Das war der erste, der überhaupt bereit war, uns zu helfen", erinnert sich Arnold.
Exit ist nicht das einzige Aussteigerprogramm. Mittlerweile gibt es fast in jedem Bundesland eine Nazi-Hotline. Kurz nach Ostern meldete sich auch der Bundesverfassungsschutz mit einer eigenen Aussteiger-Nummer. Doch zehn Monate nach ihrer Gründung gilt Exit als Vorzeigeprojekt. Ministerien und Polizei holen sich Rat bei Bernd Wagner, der das Projekt nach skandinavischem Vorbild ins Leben gerufen hat. Der einstige DDR-Volkspolizist kennt sich in der rechten Szene aus. Er hat den braunen Sumpf bereits durchforstet, als Politiker das Problem noch ignorierten.
Mittlerweile arbeiten für Exit neun Leute: Psychologen, Politologen und Polizisten. 56 Menschen werden zurzeit betreut. 14 haben den Ausstieg bereits geschafft. Neun ehemalige Neo-Nazis arbeiten inzwischen - wie Matthias Arnold - ehrenamtlich für Exit. Nur sieben der Anrufer kommen aus dem Osten Deutschlands. Die Leute bei Exit erstaunt das nicht. "Warum sollte jemand aussteigen, der sich rundum wohl fühlt?" beschreibt Wagner die Situation der Rechten in den neuen Ländern.
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