Annäherung im kalten Sibirien
Merkel und Putin führen "offene Gespräche"
Für die Kanzlerin war die Visite in Tomsk eine Reise in die Kälte. Und doch schien es, dass nach zwei Tagen im immer noch leicht frostigen Sibirien zwischen Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das Eis ein gutes Stück gebrochen ist. Gemeinsam betrachteten sie am Donnerstag am breiten Strom Tom, wie dicke Eisschollen flussabwärts trieben. Bei ihrer ersten Begegnung kurz nach Merkels Amtsübernahme im Januar waren die beiden noch relativ steif miteinander umgegangen.
27.04.2006
Das galt für Putin mehr als für Merkel. Das Bild in Moskau war ein scharfer Kontrast zu den Szenen, die sich in vergangenen Jahren abgespielt hatten, wenn sich Merkels Vorgänger Gerhard Schröder und sein russischer Freund getroffen hatten.
Entspannter und vertrauter Umgang
In Tomsk gingen Merkel und Putin schon wesentlich entspannter und vertrauter miteinander um. Zwischendurch wurde auch einmal gelacht. Gleich zu Beginn des Treffens hatte Putin seinem Gast versprochen, ein "vollwertiges Programm" bieten zu wollen - einschließlich des Servierens der sibirischen Spezialität Pelmeni, ein Art Teigtasche. Beim Abendessen saßen dann beide bis 1 Uhr in der Nacht zum Donnerstag zusammen.
Verhandlungen in Tomsk
Hinter verschlossenen Türen wurde aber auch diesmal durchaus kein Blatt vor dem Mund genommen. Putin umschrieb das mit der in der Diplomatie dafür gebräuchlichen Formel, es sei "sehr, sehr offenes Gespräch" geführt worden. Beide sind Freunde des klaren Wortes, wobei Merkel im Gegensatz zur ersten Begegnung mit Putin diesmal das Thema Menschenrechte nicht thematisierte.
Irritationen ausräumen
Es gab bei den Treffen durchaus einige Irritationen auszuräumen. Nach missverständlichen Äußerungen des Chefs des russischen Energieriesen Gasprom waren auch in der Bundesregierung Befürchtungen entstanden, Russland und seinen Unternehmen könnten die Gaslieferungen als Druckmittel gegen den Westen einsetzen.
Putin stellte klar, dass Russland selbstverständlich seine Lieferverpflichtungen einhalten werden, ja sogar, wenn nötig mehr Gas oder Öl liefern könnte. Aber, so fügte Putin hinzu, die russischen Energieunternehmen wollten auch an der Vermarktung ihrer Energie mitverdienen dürfen - am Vertrieb von Gas und Öl oder an der Stromerzeugung. Dagegen hat aber die Bundesregierung nichts. Sie ist ohnehin für eine Liberalisierung des Energiemarktes. Merkel nahm vielleicht am Ende mehr Gewissheit mit nach Hause, dass die russischen Unternehmen sich vertragstreu verhalten wollen.
Putin ganz Gentleman
Und es passte gut ins Bild, dass am Ende des Treffens die BASF- Tochter Wintershall mit Gasprom eine Art Tauschgeschäft vereinbarte. Die Russen beteiligen die Deutschen an der Erschließung eines riesigen Gasfeldes Juschno-Russkoje, die Deutschen gewähren den Russen die Beteiligung an einer großen Vertriebsfirma.
Bei ihrer zweiten gemeinsamen Pressekonferenz wirkten Putin und Merkel durchaus souverän und entspannt. Und am Schluss wirkte es, als ob die beiden nicht so schnell von einander Abschied nehmen wollten. Während am Flughafen schon die Manager, die den halben DAX repräsentieren, unruhig auf die Kanzlerin warteten, kutschierte Putin mit Merkel noch gemütlich durch die sibirische Stadt. Erst dann brachte er sie - ganz Gentleman - bis zum Flugzeug.
von Ulrich Scharlack und Friedemann Kohler, dpa