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Thema: Schröders Rücktritt

  1. #1
    Unbekannt
    Gast

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    Es heißt, aus Schaden werde man klug. Das war einer der ersten Sprüche, den ich als Kind mir merkte, hatte doch meine Oma diesen Satz bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit fallen lassen. Ob er heute noch gebräuchlich ist, weiß ich nicht, denn ich habe ihn lange nicht mehr von jemanden gehört. Der SPD scheint dieser Satz auch nicht mehr geläufig zu sein, steht sie doch mit dem Rücktritt Schröders vom Parteivorsitz wieder einmal vor einem Scherbenhaufen, wie schon 20 Jahre zuvor, als interne Streitigkeiten die sofortige Rückeroberung der Macht verhinderten. Diesmal, so scheint es, sieht es gar noch schlimmer aus, ist doch niemand zu Hand, der die Partei aus der Krise führen könnte. Ganz im Gegensatz zu den 80gern, als die Partei über ein schier unerschöpfliches Reservoir an talentierten, zudem noch jungen Politikern verfügte. Am Freitag nun hat mit Müntefering jemand die Partei übernommen, der bereits 64 ist, einem Alter, in dem man gewöhnlich in Rente geht oder sich schon mehrere Jahre der Rente erfreut, im tiefen Osten beispielsweise. Forsch ist er, ja sogar mitreißend – ob er aber für Aufbruchstimmung wird sorgen können, bleibt zweifelhaft.
    Eher sieht es so aus, als ob die Parteioberen schon froh darüber wären, das eine Viertel der Wahlberechtigten, die zur Zeit mit der SPD laut Umfragen sympathisieren, zu halten. Vor knapp1,5 Jahren erhielt die SPD noch über 40% der Stimmen, also 15 % Verlust in der Wählergunst – für viele unfassbar, doch irgendwie logisch, im nachhinein jedenfalls. Schuld am Absturz in der Gunst der Wähler sind aber nicht die bei den SPD-Anhängern so ungeliebten Reformen, sondern eine Generation von sogenannten Spitzenpolitikern, die vorgab, würdige Nachfolger Brandts zu sein, auch Brandtenkel genannt. Diese Enkelgeneration hat in fünf Jahren Regierungszeit das Kunststück fertig gebracht, sich in parteiinternen Scharmützeln selbst zu besiegen bzw. auszuschalten. Gestern hat es nun mit Schröder, seit vier Jahren für viele der strahlende Sieger im Machtkampf, den letzten selbsternannten Enkel erwischt, zwar nicht so schlimm wie Lafontaine und Scharping, er ist ja noch Bundeskanzler, jedoch erholen wird er sich davon nicht mehr, der Imageschaden ist einfach zu groß. Die Troika, bestehend aus Lafontaine, Scharping und Schröder, der so viele Wähler 98 ihr Vertrauen schenkten, ist ziemlich elendig und glanzlos gescheitert, nicht ihres Könnens und ihrer Intelligenz wegen, sondern wegen ihrer Unfähigkeit, ihren übergroßen Ehrgeiz sowie ihre ausgeprägte Machtgier nutzbringend für die Partei einzusetzen. Anstatt sich nur auf den Parteivorsitz zu konzentrieren, fühlte sich Lafontaine berufen, das Ministerium für Finanzen zu übernehmen, obwohl er doch gar nicht Ökonomie bzw. etwas Artverwandtes studiert hatte. Kaum im Amt, bekam man bald den Eindruck, nicht ein gewöhnlichen Minister, sondern ein Finanzgenie, ein zweiter Colbert, würde das Amt führen. Schröder wurde es dann zu bunt, so dass Lafontaine nicht anderes übrig blieb, als zurückzutreten. Dieser Sieg war, wie sich jetzt herausstellt, wohl nur ein Pyrrhussieg, zeigt doch sein Rücktritt, dass er die Partei nicht in den Griff bekommen hat. Dazu hätte er Lafontaine gebraucht. Die drei hätten sich übrigens gut ergänzt, fühlten sich doch zu Beginn der Rot-Grünen-Koalition den Dreien jeweils unterschiedliche Gesellschaftsschichten zugezogen: Unternehmer und Freiberufler waren Schröder zugetan, Lafontaine fand eher Wohlwollen bei den Intellektuellen und Gewerkschaftlern, Scharping bei den Arbeitnehmern. Aber das hat alles nicht sollen sein, zu engstirnig und machtverliebt waren die Herren. Aber vielleicht ist man so, wenn man nach 16 Jahren Machtabstinenz die Regierung übernimmt. Das sollte uns lehren, spätestens nach 8 Jahren eine Regierung wieder abzuwählen. 16 Jahre an der Regierung bzw. in der Opposition waren für die Parteien einfach zu lang.
    Schröder hat in den vier Jahren, in denen niemand aus der Partei ihm formal gleichberechtigt war, mit seinen Personalentscheidungen die SPD fast vollständig ausbluten lassen. Mit Clement, obwohl älter, ist auch der letzte potentielle Nachfolgekandidat gescheitert, jemand, der vor zwei Jahren noch Hoffnungsträger war, es auf dem Parteitag im November aber nur mit Mühe und Not zum stellvertretenden Parteivorsitzenden geschafft hat. Gerade einmal knapp über 50 % der Delegierten votierten für ihn. Das Problem für die SPD ist, dass sie keiner Visionäre mehr hat, was eigentlich sehr verwundert, hatte sie doch früher solche in Hülle und Fülle. Nach Leuten wie Glotz, die in der Lage sind, einem zu erklären, was den mit den Reformen erreicht werden soll, würde sich die SPD jetzt sehnen. Stattdessen hören wir, dass am Reformkurs festgehalten wird, wie aber eine reformierte Gesellschaft aussehen soll, wird uns verschwiegen. Werden wirklich neue Arbeitsplätze entstehen? Was passiert mit den Renten? Auf diese und andere Fragen konnte niemand bis jetzt in der Regierung konkret Auskunft geben.

  2. #2
    GESPERRT
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    Also Lafontaine anrufen oder Merkel aus dem Texas exil zurueck holen?

  3. #3
    SelbsternannterShitboxMOD Benutzerbild von WladimirLenin
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    Schröder sollte aber nicht als Bundeskanzler zurücktreten, da sonst die CDU mit Angie ne Chance hätte!

    Ich mag Schröder nicht, aber er ist besser als Angie und Stoiber
    "Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit."
    George Orwell, 1984

  4. #4
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    Gut, dann haben wir ja die Wahl zwischen "schlecht" und "schlechter".

  5. #5
    werbe
    Gast

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    Original von FlorianK
    Gut, dann haben wir ja die Wahl zwischen "schlecht" und "schlechter".
    Das sind endlich mal gute Aussichten :O

  6. #6
    Bakunin
    Gast

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    unsere dreckige scheiss demokratie hat ihr ziel erreicht, denn die masse wählt nicht mehr die partei, die einen überzeugt, sondern das kleinere übel und somit kapitalistischen abfall.

  7. #7
    Mitglied Benutzerbild von Patrick Bateman
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    971

    Standard

    Original von Unbekannt
    Es heißt, aus Schaden werde man klug. Das war einer der ersten Sprüche, den ich als Kind mir merkte, hatte doch meine Oma diesen Satz bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit fallen lassen. Ob er heute noch gebräuchlich ist, weiß ich nicht, denn ich habe ihn lange nicht mehr von jemanden gehört. Der SPD scheint dieser Satz auch nicht mehr geläufig zu sein, steht sie doch mit dem Rücktritt Schröders vom Parteivorsitz wieder einmal vor einem Scherbenhaufen, wie schon 20 Jahre zuvor, als interne Streitigkeiten die sofortige Rückeroberung der Macht verhinderten. Diesmal, so scheint es, sieht es gar noch schlimmer aus, ist doch niemand zu Hand, der die Partei aus der Krise führen könnte. Ganz im Gegensatz zu den 80gern, als die Partei über ein schier unerschöpfliches Reservoir an talentierten, zudem noch jungen Politikern verfügte. Am Freitag nun hat mit Müntefering jemand die Partei übernommen, der bereits 64 ist, einem Alter, in dem man gewöhnlich in Rente geht oder sich schon mehrere Jahre der Rente erfreut, im tiefen Osten beispielsweise. Forsch ist er, ja sogar mitreißend – ob er aber für Aufbruchstimmung wird sorgen können, bleibt zweifelhaft.
    Eher sieht es so aus, als ob die Parteioberen schon froh darüber wären, das eine Viertel der Wahlberechtigten, die zur Zeit mit der SPD laut Umfragen sympathisieren, zu halten. Vor knapp1,5 Jahren erhielt die SPD noch über 40% der Stimmen, also 15 % Verlust in der Wählergunst – für viele unfassbar, doch irgendwie logisch, im nachhinein jedenfalls. Schuld am Absturz in der Gunst der Wähler sind aber nicht die bei den SPD-Anhängern so ungeliebten Reformen, sondern eine Generation von sogenannten Spitzenpolitikern, die vorgab, würdige Nachfolger Brandts zu sein, auch Brandtenkel genannt. Diese Enkelgeneration hat in fünf Jahren Regierungszeit das Kunststück fertig gebracht, sich in parteiinternen Scharmützeln selbst zu besiegen bzw. auszuschalten. Gestern hat es nun mit Schröder, seit vier Jahren für viele der strahlende Sieger im Machtkampf, den letzten selbsternannten Enkel erwischt, zwar nicht so schlimm wie Lafontaine und Scharping, er ist ja noch Bundeskanzler, jedoch erholen wird er sich davon nicht mehr, der Imageschaden ist einfach zu groß. Die Troika, bestehend aus Lafontaine, Scharping und Schröder, der so viele Wähler 98 ihr Vertrauen schenkten, ist ziemlich elendig und glanzlos gescheitert, nicht ihres Könnens und ihrer Intelligenz wegen, sondern wegen ihrer Unfähigkeit, ihren übergroßen Ehrgeiz sowie ihre ausgeprägte Machtgier nutzbringend für die Partei einzusetzen. Anstatt sich nur auf den Parteivorsitz zu konzentrieren, fühlte sich Lafontaine berufen, das Ministerium für Finanzen zu übernehmen, obwohl er doch gar nicht Ökonomie bzw. etwas Artverwandtes studiert hatte. Kaum im Amt, bekam man bald den Eindruck, nicht ein gewöhnlichen Minister, sondern ein Finanzgenie, ein zweiter Colbert, würde das Amt führen. Schröder wurde es dann zu bunt, so dass Lafontaine nicht anderes übrig blieb, als zurückzutreten. Dieser Sieg war, wie sich jetzt herausstellt, wohl nur ein Pyrrhussieg, zeigt doch sein Rücktritt, dass er die Partei nicht in den Griff bekommen hat. Dazu hätte er Lafontaine gebraucht. Die drei hätten sich übrigens gut ergänzt, fühlten sich doch zu Beginn der Rot-Grünen-Koalition den Dreien jeweils unterschiedliche Gesellschaftsschichten zugezogen: Unternehmer und Freiberufler waren Schröder zugetan, Lafontaine fand eher Wohlwollen bei den Intellektuellen und Gewerkschaftlern, Scharping bei den Arbeitnehmern. Aber das hat alles nicht sollen sein, zu engstirnig und machtverliebt waren die Herren. Aber vielleicht ist man so, wenn man nach 16 Jahren Machtabstinenz die Regierung übernimmt. Das sollte uns lehren, spätestens nach 8 Jahren eine Regierung wieder abzuwählen. 16 Jahre an der Regierung bzw. in der Opposition waren für die Parteien einfach zu lang.
    Schröder hat in den vier Jahren, in denen niemand aus der Partei ihm formal gleichberechtigt war, mit seinen Personalentscheidungen die SPD fast vollständig ausbluten lassen. Mit Clement, obwohl älter, ist auch der letzte potentielle Nachfolgekandidat gescheitert, jemand, der vor zwei Jahren noch Hoffnungsträger war, es auf dem Parteitag im November aber nur mit Mühe und Not zum stellvertretenden Parteivorsitzenden geschafft hat. Gerade einmal knapp über 50 % der Delegierten votierten für ihn. Das Problem für die SPD ist, dass sie keiner Visionäre mehr hat, was eigentlich sehr verwundert, hatte sie doch früher solche in Hülle und Fülle. Nach Leuten wie Glotz, die in der Lage sind, einem zu erklären, was den mit den Reformen erreicht werden soll, würde sich die SPD jetzt sehnen. Stattdessen hören wir, dass am Reformkurs festgehalten wird, wie aber eine reformierte Gesellschaft aussehen soll, wird uns verschwiegen. Werden wirklich neue Arbeitsplätze entstehen? Was passiert mit den Renten? Auf diese und andere Fragen konnte niemand bis jetzt in der Regierung konkret Auskunft geben.
    Eine sehr schöne Analyse des Niedergangs der SPD.

    Allerdings dürfte das im Großen und Ganzen auch auf die CDU und vor allem auf die FDP zutreffen.

    Es gibt eigentlich in keiner Partei mehr Visionäre, das sind alles ganz smarte Jungs und Mädels die sich gut vermarkten können, aber nicht die Absicht haben ihre Haut zu Markte zu tragen, m.a.W. Entscheidungen zu treffen und auch die Verantwortung für diese Entscheidungen zu übernehmen.

    Schröder ist zumindest hier die Ausnahme, nicht das seine Reformvorhaben sonderlich sinnvoll sind, auch hier wird nur an Symptomen herumgedoktert statt an die Wurzel zu gehen.

    Aber er steht, zumindest momentan noch, zu seinen Entscheidungen. Es bleibt abzuwarten, ob er diese Konsequenz auch durchhält.

    Die anderen die nach ihm kommen, ob das nun ein Sozi sein wird oder Merkel oder Stoiber oder Merz oder Westerwelle (Gott behüte uns vor dem letzteren) werden wohl kein Deut besser sein.

    Die politische Klasse degeneriert seit der Amtsübernahme Kohls 1982, der derzeitige Zustand der SPD wirft nur ein Bild auf diesen Zustand.
    "Wahre Glückseligkeit existiert nur in den Sinnen, und Tugend befriedigt keinen von ihnen."
    Marquis de Sade (1740 - 1814)

  8. #8
    l_osservatore_uno
    Gast

    Standard

    Original von Patrick Bateman Aber er steht, zumindest momentan noch, zu seinen Entscheidungen.
    ... erstaunt nicht wenig!

    Ich, für meinen Teil, halte Schröder nicht für so charakterstark, dass er aus Gründen der Einsicht in die wirtschaftliche Situation Deutschlands, die SPD so an die Wand fährt, wie er's derzeit tut.

    Das muß andere Gründe haben!

    Original von Patrick Bateman
    Es bleibt abzuwarten, ob er diese Konsequenz auch durchhält.
    Daran zweifle ich keine Sekunde!

    Der zieht das durch, so lange es geht - in welcher Gruppe Interesse auch mmer!

    Original von Patrick Bateman
    Die anderen die nach ihm kommen, ob das nun ein Sozi sein wird oder Merkel oder Stoiber oder Merz oder Westerwelle (Gott behüte uns vor dem letzteren) werden wohl kein Deut besser sein.
    So ist es wohl! Es ist völlig gleichgültig, welche Partei es ist die den Kanzler stellt!

    Und wenn am nächsten Sonntag Neuwahlen wären und die UNION würd' - was sicher ist - als strahlender Sieger daraus hervorgehen, dann wird's keine zwölf Monate dauern und sie befindet sich, in Meinungsumfagen, nahe dem heutigen SPD-Niveau!

    Original von Patrick Bateman
    Die politische Klasse degeneriert seit der Amtsübernahme Kohls 1982, der derzeitige Zustand der SPD wirft nur ein Bild auf diesen Zustand.
    Und was schließen wir aus dieser Erkenntnis?

    Was ... ist zu tun?

    Enzo

  9. #9
    2009, das wird MEIN Jahr! Benutzerbild von MoJo
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    Standard

    Hahaha!
    Vintage MoJo

  10. #10
    Forever closed blue eyes Benutzerbild von Frank Sinatra
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    Mann Mann, ich hab fast nen Herzinfarkt vor Freude gekriegt als ich den Titel des Beitrags gelesen hab...:heulsuse:
    Ich bin raus!
    "So I face the final curtain"
    Frank Sinatra, größter Entertainer aller Zeiten

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