Man hat damals die Bezeichnung "Verfassung" vermieden, weil man der Auffassung war, dass eine sich "Verfassung" nennende Verfassung für das gesamte Staatsgebiet zu gelten habe. Es war aber nun mal in der Nachkriegszeit in Deutschland nicht möglich gewesen, eine Verfassung für ganz Deutschland zu schaffen. Vielleicht hat der eine oder andere schon mal etwas vom kalten Krieg gehört. Aber wenn das Grundgesetz keine Verfassung sein sollte, wieso hat sich das Deutsche Volk dieses Grundgesetz kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt gegeben? Man wusste also von Anfang an, das Grundgesetz ist eine Verfassung, nur aus innerstaatlichen Gründen durfte sie nicht so heißen. Den Alliierten war das wohl egal. Sie haben die Ministerpräsidenten beauftragt, eine Verfassung für den Bereich der westlichen Besatzungszonen auszuarbeiten. Von Grundgesetz haben die Alliierten nichts gesagt.Nirgends im GG wird dieses als Verfassung bezeichnet. Schon in der Präambel steht:
Zitat
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Dieses Provisorium war für ein paar Jahre gedacht gewesen. Niemand ist auf die Idee gekommen, dass es bis zur deutschen Einheit noch 41 Jahre dauern könnte. Und das Provisorium von 1949 war schon wenige Jahre später kein Provisorium mehr, sondern eine funktionierende Verfassung.
Einer Verfassung ist es übrigens egal, ob das Volk über sie abstimmt, oder ob sie nur vom Parlament mit qualifizierter Mehrheit beschlossen wird. Eine Verfassung kann auch von einem Diktator ganz allein erlassen werden.
Das Grundgesetz wurde vom Parlamentarischen Rat beschlossen und anschließend von den demokratisch gewählten Länderparlamenten angenommen. Es ist somit ebenso legitimiert, wie dreißig Jahre vorher die Weimarer Verfassung.