5. Juli 2006, Neue Zürcher Zeitung
Einige Ausschnitte:
Die Welt in Angst vor Deutschland?
In die Feiern der WM-Gastgeber mischen sich immer mehr aggressive Töne.
Niemand wollte diesen Satz hören, vielleicht wollte ihn auch niemand wirklich gehört haben, verständlich wäre es: «Die Welt hat wieder Angst vor uns.» Das sagte Oliver Bierhoff, der Manager der deutschen Nationalmannschaft.
So ein Satz kann irritieren. Er kann aber auch verängstigen, vor allem, wenn er von einem Deutschen kommt.
Bierhoff verfügt über kein Format.
Bierhoff war ein brillanter Kopfballspieler. Nicht jedem bekommt das gut.
Und er ist ein Mann des Lagerdenkens. Gegenwärtig haben die Deutschen im Grunewald ihr Feldlager aufgeschlagen. Hier, wo sich Klinsmanns Jünger gesammelt haben, schwingt auch er das Zepter. Man muss dieses Hotel einmal gesehen haben. Es atmet den Geist einer längst vergangenen Epoche.
Und der neuerliche Patriotismus........... zeigt allmählich ein anderes Gesicht.
«Plötzlich klingelte ein Mobiltelefon, ein junger Mann antwortete seinem Gesprächspartner und erzählte ihm, dass er sich vor dem 'Adolf-Hitler-Gedächtnis-Stadion' befinde. Ich bin irritiert, ja bestürzt. 'Steh auf, wenn du ein Deutscher bist', 'Sieg, Sieg, Sieg', grölt die Masse.
Wenige Minuten vor dem Anpfiff ereignet sich in der Ostkurve des Olympiastadions etwas äusserst Eigenartiges. Über eine Länge von mehr als hundert Metern wird ein Tuch entrollt, darauf ist zu lesen: 'Auf des Adlers Schwingen werden wir den Sieg erringen. .................» ................. «Was bedeutet die Demonstration? Was ist angemessen in einem Stadion, das wie kein anderes in der Welt einem politischen Machtmissbrauch unterlag? Ist dies karnevalistischer Patriotismus, oder findet hier Verführung statt? Welch geistlose Irreführung bedient sich des schönen Fussballspiels?»
Und mittendrin steht Bierhoff mit seinem törichten Satz. Vermutlich ist er einfach nur ein Mitläufer, ein Parvenü, der sieht, wo er bleibt. Manche wollten in ihm den sogenannten anderen Fussballprofi sehen, weil er fliessend Italienisch spricht und schönere Anzüge trägt als Oliver Kahn und Nationalspieler Uhren zusammenbauen lässt - weil er über einen Deal mit IWC verfügt. Transparency International nennt so etwas Korruption. ..................Doch in seiner Prinzipienlosigkeit verdeutlicht Bierhoff: Ich bin manipulierbar.
Inzwischen lassen sich Millionen gern manipulieren. Es reicht schon aus, die Deutschen vor dem Match gegen Argentinien nicht als Favoriten zu wähnen, und der Ärger steht an. Ein deutscher Kollege .... hatte .... den Fehler begangen, anzumerken, dass er den neuerlichen Nationalstolz nicht nur in Anbetracht der schwindenden Bedeutung von Nationalstaaten für einen blanken Anachronismus und nebenbei für nicht ganz ungefährlich hält.
Der Mann ..... bekam noch serviert, dass doch irgendwann «Schluss» mit dem alten Krempel sein müsste. Das waren keine Argumente. Es waren Vorwürfe, und in jedem Satz schwang das Wort «Verräter» mit. Der Mitdiskutant war Akademiker, wie Bierhoff.
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Selbst in einer ansonsten seriösen Zeitung wie der Neuen Zürcher Zeitung findet man immer wieder solche Züge eines schon pathologischen Deutschen-Hasses.