Auszug aus einer aktuellen Studie des Berlin-Instituts für Demografie.

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Ist Deutschland schon kulturelles Schwellenland?


Die deutschen Schulen bleiben auch nach den neuesten internationalen Vergleichen Mittelmaß. Fast jeder vierte Jugendliche im Alter von 15 Jahren kann einfachste Texte nicht verstehen und nur auf Grundschulniveau rechnen. Ein Viertel aller Jugendlichen eines Jahrgangs gilt in Deutschland als nicht ausbildungsfähig. Lehrmethoden an Schulen sind veraltet, sie verweigern sich neuesten Kenntnissen zur optimalen Förderung unterschiedlich begabter Kinder. Auch die deutschen Universitäten stehen im internationalen Vergleich höchstens zweitrangig da. Sie setzen unter den OECD-Ländern Minusrekorde bei der geringen Zahl der Studenten eines Jahrgangs und sie sind zugleich Spitzenreiter bei den Studienabbrechern. Studenten beginnen hierzulande ihr Studium spät, studieren lange und finden dennoch oft keinen Arbeitsplatz. Dazu kommt ein „Brain drain“ bei den Akademikerinnen, die nach einer langwierigen und teuren Ausbildung dem Arbeitsmarkt oft nur kurz oder gar nicht zur Verfügung stehe, weil Familie und Beruf in Deutschland schwer zu vereinbaren sind. Während Frauen über lange produktive Jahre ihres Lebens ein kostenloses Ausbildungsangebot wahrnehmen können, sorgen die hohen Kosten der Kinderbetreuung dafür, dass viele ihre Arbeit aufgeben, um das Familienleben aufrecht zu erhalten.

Dennoch sind die Bildungsausgaben vieler Bundesländer zwischen 1995 und 2002 trotz steigender Kosten gesunken. Im Vergleich zu anderen hoch industrialisierten Ländern investiert Deutschland sehr wenig in Bildung – besonders im Vor- und Grundschulbereich, dessen Anteil am BIP mit 0,7 Prozent dreimal kleiner ist als etwa in den USA. Entscheidend ist dabei nicht nur, dass die deutsche Ausbildung an Qualität eingebüßt hat, sondern, dass konkurrierende Länder sich verbessert haben. Das gilt für industrialisierte europäische Nationen wie Finnland oder Großbritannien, aber erst recht für Schwellenländer wie Indien oder China, die überdies auf ein enormes Potenzial an hoch motivierten jungen Menschen zurückgreifen können.

In Zukunft wird der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften weiter steigen. Bereits heute klagen viele Betriebe über zu wenig Natur- und Ingenieurwissenschaftler. Dieses Defizit wird sich rapide verschärfen, weil durch den demografischen Wandel die Zahl junger Menschen zurückgeht, die für ein Studium zur Verfügung stehen. Bereits jetzt befinden sich nur noch geburtenschwache Jahrgänge im Studienalter. Die Akademikerschicht ist dabei zu altern: Während 1976 noch 40 Prozent aller Akademiker unter 35 Jahren waren, betrug dieser Anteil im Jahr 2000 nur noch 26 Prozent. Schon weit vor dem Jahr 2050 wird es nicht mehr genug hoch qualifizierten Nachwuchs geben, um das industriell-technische Niveau in Deutschland zu halten, geschweige denn in einem verschärften Umfeld zu verbessern. Um den demografischen Wandel abzumildern, müssten auch Berufstätige ihre Fähigkeiten ständig den neuesten Entwicklungen anpassen.

Der Anteil junger, frisch ausgebildeter Akademiker wird in den nächsten Jahrzehnten zurückgehen, der Einfluss neuer Gedanken und Methoden, die von jungen Arbeitnehmern eingebracht werden, sinken. Lebenslanges Lernen ist also nicht nur wegen einer schnellen Entwicklung der Welt, sondern auch aus demografischen Gründen nötig. Doch Erwerbslose nutzen Fortbildungsmaßnahmen gerade einmal halb so oft, wie Erwerbstätige. Durch diese passive Haltung entfernen sie sich immer weiter vom Arbeitsmarkt und seinen wachsenden Anforderungen.


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