Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts
Die Äquivalenzökonomie
Seit Beginn der Wirtschaftsgeschichte lebte die Menschheit fast 800 000 Jahre nach dem Prinzip der äquivalenten Ökonomie. Vor ca. 6000 Jahren begann man, die Wirtschaft auf eine neue Grundlage zu stellen, auf die Grundlage der nicht-äquivalenten Ökonomie, die in den vergangenen 5 Jahrtausenden die ganze Erde unter ihr Diktat warf. Dies war auch der Beginn der Geschichte der Kriege, als man begann, die Ökonomie nicht mehr als Bedarfsdeckung zu verstehen, sondern das System der Bereicherung (Chrematistik) mehr und mehr die Oberhand im Handeln und Denken der Menschen gewann. Die Unersättlichkeit der Chrematistik, so deckte Plato auf, ist die Ursache des Krieges.
Plato beschrieb die natürlichen Bedürfnisse des Menschen folgendermaßen: Nahrung, Wohnung, Bekleidung und ihre Befriedigung, in der grechten Stadt, die gleichsam gesung ist, zu leben. Ihr gegenüber stellte er die aufgeschwemmte Stadt, wo die Grenzen des Notwendigen überschritten werden und maßloses Besitzstreben zu Überfluß und Luxus führt. Die Folge ist, daß der Grund und Boden, der für die Bedürfnisbefriedigung ausreicht, zu klein wird. Also werden wir von unseren Nachbarn Land abtrennen müssen und ebenso diese von unserem, und von nun an werden wir Krieg zu führen haben. Plato schließt: Wir haben den Ursprung des Krieges in dem gefunden, dessen Vorhandensein sowohl für die Staaten im Ganzen als auch für den einzelnen Bürger persönlich meist eine Veranlassung zum Unheil wird - nämlich in der Maßlosigkeit, die mit der Chrematistik die Wirtschaft ergriffen hat.
Schon Aristoteles hat vor 2300 Jahren vor dem Hintergrund der Politik, der Ethik, des Rechts und der Geschichte die Wirtschaft betrachtet. In der Wirtschaftslehre des Aristoteles ist die Ökonomie die Bezeichnung für die Erwerbskunst, deren Inhalt die Schaffung der zum Unterhalt von Haus und Staat erforderlichen Mittel ist - also die Bedarfsdeckung. Aristoteles beschreibt noch eine zweite Art der Erwerbskunst, die er allerdings nicht als eine von der Natur vorgesehen betrachtet, also künstlich eingeführt; sie gehört nicht zur Ökonomie und stellt somit eine eigene Erscheinung dar: Es ist die Chrematistik (=Bereicherung). Weil diese der Ökonomie nahe steht, halten sie viele Leute identisch mit dieser; sie ist es aber nicht.
Aristoteles hat in Griechenland und Kleinasien noch Dorfgemeinschaften kennegelernt, in denen Güter fast ausschließlich von den Produzenten auf äquivalenter Grundlage direkt getauscht wurden. Er sagte darüber: Dieser Tausch ist weder gegen die Natur, noch ist er eine Art des Gelderwerbs, denn er dient nur zur Ergänzung der natürlichen Selbstständigkeit. Mit dem Aufkommen des ersten Geldes (die ersten Münzen wurden in Kleinasien dreihundert Jahre vor Aristoteles geprägt) entstand eine zweite Art der Erwerbskunst: Der Handel. Er diente nicht mehr der Bedarfsdeckung, weil dieser nur einen möglichst großen Gewinn erzielen will. Für Aristoteles ist diese Bereicherung der widernatürliche Gebrauch menschlicher Fähigkeiten, welche die Ökonomie stört.
Die Chrematistik ist unersättlich. Der Wirtschaft sind natürliche Grenzen gesetzt. Die Chrematistik dagegen versucht ihr Geld ins endlose zu vermehren. Sie wird mit Recht getadelt, sagt Aristoteles, weil sie nicht der Natur folgt, sondern auf Ausbeutung ausgeht. Ihr zur Seite tritt das Wuchergewerbe, das aus guten Gründen verhasst ist, weil es seinen Erwerb aus dem Gelde selbst zieht und nicht aus den Dingen, zu deren Vertrieb das Geld eingeführt wurde. Denn dies sollte nur der Erleichterung des Austausches dienen; der Zins aber bewirkt, daß es sich selbst vermehrt. Deshalb ist diese Art des Erwerbs die allernaturwidrigste.
Was sind heute die Folgen unserer zügellosen Wirtschaft, die sich in ihrer größten Perversion, der neoliberalen Globalisierung, momentan ausdrückt?
Die Frage, die wir uns als erstes stellen müssen, ist, ob sich unsere nicht-äquivalente Ökonomie bewährt hat. Das vergangene Jahrhundert hat uns mehr wissenschaftliche und technische Errungenschaften bescheert als in der ganzen Weltgeschichte davor. Die Massenproduktion macht uns Waren und Güter zugänglich, die früher nur einem sehr kleinen Kreis von Menschen zugänglich war. Waren vor hundert Jahren noch vier Bauern nötig, um einen Städter zu ernähren, so haben mechanisierung, Pflanzen-und Tierzucht es geschafft, daß heute ein Bauer 25 Menschen ernähren kann. Dennoch herrschen auf der Erde Hunger, Mangel, Entbehrung und Not. Etwa eine Milliarde Menschen leben in Wohlstand (ein Zehntel davon in Überfluss), drei Milliarden in Armut, mehr als eine Milliarde hungert. Seit 1945 sind 600 Millionen Menschen verhungert, das sind zehnmal mehr Menschen als der Zweite Weltkrieg Tote gefordert hat, und täglich verhungern weltweit 40 000, während unsere Lager überquellen und die europäischen Staaten Milliarden für die Stillegung fruchtbarer Äcker zahlen (...) Überall in der Welt werden Güter und Dienstleistungen aller Art dringend benötigt, trotzdem sind in Westeuropa 35 Millionen Menschen arbeitslos, weltweit sind es 820 Millionen - fast ein drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung. Und die sich täglich verdichtenden globalen Kapitalströme schaffen keine Arbeitsplätze und keine materiellen Werte, sie sind nicht mehr auf Profit gerichtet, sondern allein auf den Zins. Soweit Heinz Dieterich.
Gibt es eine Alternative zum globalen Kapitalismus, gibt es eine Antwort auf unseren drängensten Fragen, wie man dem Hunger, der Not und dem Elend Herr werden könnte? Ja, in der Äquivalenzökonomie, die Heinz Dieterich in seinem gleichnamigen Buch auch als den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" bezeichnet.
Schuld an der Ungerechtigkeit in unserer Welt ist nicht das Bevölkerungswachstum, nicht die Natur und auch nicht der Mensch, sondern das Wirtschaftssystem, die Marktwirtschaft, in der Güter und Dienstleistungen nicht zu ihrem Wert ausgetauscht werden, sondern zum Weltmarktpreis, der sich seit den sechziger Jahren immer weiter zugunsten der reichen Industrieländer verschiebt.
Beispiel: Brasilien muß für eine Lokomotive, für die es vor zwanzig Jahren 15 000 Sack Kaffee zahlte, heute das dreifache (46 000 Sack Kaffee) geben. Der Wert der Lokomotive hat sich in den zwanzig Jahren aber nicht verdreifacht, im Gegenteil: Automatisierung, Rationalisierung und effektivere Produktionsvorgänge machen diese eher noch günstiger. Und auch der Wert des Kaffees hat sich nicht verringert. Verändert hat sich nur der Weltmarktpreis, der lange keinen realen Wert der Waren mehr widerspiegelt, da Spekulation, Profit-und Renditestreben diesen mehr und mehr verfälschen zuungunsten der ärmeren Länder oder im Zeitalter der Globalisierung auch zuungunsten der Länder der sog. Ersten Welt, die sich in ihrem Globalisierungskampf immer mehr gegenseitig blockiert und in ihrem "Wettbewerb" um den Markt bekriegt, an den Börsen als auch auf den Schlachtfeldern um Ressourcen, wie Öl, Naturvorkommen und deren Zugänge
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Der Austausch von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft sollte demnach nur auf der Basis von gleichen Preisgrößen - also äquivalent - erfolgen. Bedarf und Lieferung von diesen Dingen könnnen heute dank des Computerzeitalters blitzschnell erfaßt und verarbeitet werden.
Nun kann entgegnet werden, "Planwirtschaft - die ist doch gescheitert." Ja, ist sie; aber nur, weil es Planwirtschaft im Sozialismus nie gab, oder nur sehr unzureichend.
Beispiel: In der Sowjetunion gab es in den achtziger Jahren etwa zwölf Millionen Produkte, aber die Informationslogistik, also vor allem die verfügbaren Daten - und Speicherkapazitäten, die Telekommunikationskapazität und die Kalkulationskapazität der Computer über Input-Output-Tabellen und Zeitinputs (also die Werte), reichten gerade mal aus, um - festhalten - etwas mehr einige hundert Produkte zu verwalten/zu erfassen. Unter diesen Umständen mußte der Sozialismus scheitern, konnte er die Bedürfnisse der Menschen an Konsumgütern nicht ausreichend befriedigen, konnte keine effiziente Ökonomie entstehen. Politische und gesellschaftliche Umstände taten das ihrige
Wir müssen unsere derzeitige Neoliberale, kapitalistische Weltwirtschaftsordnung durch demokratisch-geplante National-Ökonomien ersetzen, die nicht nur die Bedürfnisse der Menschen primär berücksichtigen, sondern auch eine bessere und gerechtere Verteilung der Ressourcen erlauben, da die Informationsflüsse heute weitaus effizienter als die über Angebot und Nachfrage erfolgten feedbacks in der gegenwärtigen Bereicherungswirtschaft sind. Veränderungen in den Preis-Kosten bzw. Werterelationen können bereits mit unser derzeitigen Informationslogistik auf nationalem Niveau stündlich erfaßt und an die Betriebseinheiten weitergegeben werden, so daß Felxibilität und Reaktionsmöglichkeiten auf wirtschaftliche Veränderungen viel effizienter druchgeführt werden könnten als es der "Markt" kann.
Am Beispiel der brasilianischen Lokomotive wurde die Notwendigkeit aufgezeigt, daß die wichtigste Basis dabei ist, Waren nach ihren tatsächlichen Gebrauchswert und der tatsächlich aufgewandten Arbeit entsprechend auszutauschen.
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Im Laufe der hoffentlich stattfindenen Diskussion können dann viele Punkte, die den Sozialismus des 21. Jahrhunderts genauer definieren, wie zum Beispiel Demokratie und Mitbestimmung, noch erläutert werden. Dieser Beitrag soll erstmal als Basis für eine Diskussionseröffnung dienen. Ich bitte um rege Beteiligung.