Ursachen und Provokationen
Das Ereignis, das schliesslich direkt zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges führte, war die Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, eines entfernten Verwandten des preussischen Königs Wilhelm I., für den spanischen Thron, der durch die Spanische Revolution von 1868 frei geworden war.
Wilhelm war gegen die Kandidatur Leopolds, aber Bismarck überredete Leopold zur Annahme des spanischen Thrones. Frankreich sah in der Übernahme des spanischen Thrones durch ein Mitglied des Hauses Hohenzollern und in einem möglich spanisch-preussischen Bündnis eine Störung des europäischen Kräftegleichgewichts und eine Gefährdung der Interessen Frankreichs.
Deshalb drohte Frankreich Preussen mit Krieg für den Fall, dass Leopold seine Kandidatur nicht zurückziehe. Der französische Botschafter am preussischen Hof, Vincent Graf Benedetti, wurde nach Bad Ems, wo sich Wilhelm I. gerade aufhielt, entsandt, mit dem Auftrag, den preussischen König aufzufordern, Prinz Leopold zur Rücknahme seiner Kandidatur zu bringen. Am 12. Juli 1870 verzichtete Leopold auf Betreiben Wilhelms offiziell auf die spanische Thronkandidatur.
Die französische Regierung war mit diesem Verzicht auf den spanischen Thron jedoch noch nicht zufrieden und willens, Preussen zu demütigen, selbst unter Gefährdung des Friedens. Der französische Aussenminister, der Herzog von Gramont, forderte von Wilhelm ein persönliches Entschuldigungsschreiben an Napoleon III. und vor allem eine Garantie des Verzichts der Hohenzollern auf den spanischen Thron auch für die Zukunft.
Wilhelm lehnte diese Forderungen Graf Benedetti gegenüber ab. Ein Bericht über diese Unterredung zwischen Wilhelm und Benedetti ging am 13. Juli 1870 per Telegramm aus Bad Ems an Otto von Bismarck ab. Gleichzeitig erhielt Bismarck die Zustimmung Wilhelms zur Veröffentlichung der französischen Forderungen und der preussischen Ablehnung. Bismarck überarbeitete das Telegramm, so dass die französischen Forderungen schliesslich den Charakter eines Ultimatums bekamen. Bismarck war sich im Klaren, dass er mit dieser so genannten Emser Depesche – besonders vor dem Hintergrund der bestehenden französisch-preussischen Spannungen – eine Kriegserklärung Frankreichs provozieren würde; aber er war sich auch bewusst, dass Preussen gut vorbereitet war. Ausserdem zählte er auf die psychologische Wirkung einer Kriegserklärung seitens Frankreichs: Sie würde die süddeutschen Staaten für die Sache Preussens gewinnen, und somit wäre ein weiterer, vielleicht der letzte Schritt zur Einigung Deutschlands getan.
Kriegsbeginn
Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preussen den Krieg. Die süddeutschen Staaten schlossen sich sogleich Preussen in einer gemeinsamen Front gegen Frankreich an. Ein Bündnis Frankreichs mit Österreich-Ungarn, dem Verlierer des Deutschen Krieges von 1866, kam nicht mehr zustande; Österreich-Ungarn sah sich im Gegenteil nach russischen Drohungen zur Neutralität gezwungen, desgleichen blieben Italien, mit dessen Parteinahme für Frankreich Napoleon III. gerechnet hatte, sowie England neutral. Frankreich verfügte über nur etwa 200 000 Soldaten, während die deutschen Staaten rasch etwa 400 000 Mann mobilisieren konnten. Die deutschen Truppen standen unter dem Oberkommando Wilhelms und seines Generalstabschefs Helmuth Graf von Moltke.
Drei deutsche Armeen marschierten unter der Führung von General Karl Friedrich von Steinmetz, Prinz Friedrich Karl und Kronprinz Friedrich Wilhelm – als Friedrich III. später König von Preussen und deutsche Kaiser – von der Pfalz aus in Frankreich ein. Die erste Begegnung, ein kleineres Gefecht, gewannen am 2. August die Franzosen, die ein preussisches Kommando aus Saarbrücken vertrieben. In den folgenden Schlachten bei Weissenburg (4. August), Wörth und Spichern (6. August) wurden die Franzosen unter dem Marquis de MacMahon allerdings geschlagen.
MacMahon erhielt den Befehl, sich nach Châlons zurückzuziehen. Achille François Bazaine, der Befehlshaber der französischen Rheinarmee wurde angewiesen, seine Stellungen und vor allem Metz selbst um jeden Preis zu halten. Am 12. August übergab der französische Kaiser das Oberkommando an Bazaine, der dann in den grossen Schlachten bei Vionville (15. August) und Gravelotte (18. August) schwere Niederlagen hinnehmen und sich nach Metz zurückziehen musste. Dort wurde er von zwei deutschen Armeen belagert. MacMahon wurde daraufhin zum Entsatz von Metz beordert. Am 30. August überraschten und besiegten die Deutschen MacMahons Vorhut bei Beaumont; MacMahons Hauptarmee wurde nach Sedan zurückgedrängt.
Schlacht bei Sedan und Gefangennahme Napoleons III.
Die Entscheidungsschlacht des Krieges wurde am Morgen des 1. September 1870 bei Sedan eröffnet. Gegen 7.00 Uhr morgens wurde MacMahon schwer verwundet, und eineinhalb Stunden später übernahm General Emanuel Félix de Wimpffen das Oberkommando. Die Schlacht dauerte bis 16.15 Uhr nachmittags, als Napoleon, der mittlerweile in Sedan eingetroffen war, das Kommando übernahm und, da er die Aussichtslosigkeit der Lage erkannte, befahl, die weisse Fahne zu hissen. In der Nacht wurden die Kapitulationsbedingungen ausgehandelt; am nächsten Tag kapitulierte Napoleon mit 83 000 Mann vor den Deutschen und wurde mit seiner gesamten Armee gefangen genommen.
Als die Nachricht von der Gefangennahme des französischen Kaisers in Paris eintraf, kam es zu einem Aufstand, die gesetzgebende Versammlung wurde aufgelöst, und am 4. September 1870 wurde die französische Republik ausgerufen. Noch im September kapitulierte auch Strassburg, und damit verloren die Franzosen ihre letzte Hoffnung, den deutschen Vormarsch doch noch aufhalten zu können. Die deutschen Truppen rückten auf Paris vor und schlossen die Stadt ab Mitte September ein. Am 7. Oktober gelang dem Innen- und Kriegsminister der neuen französischen Regierung, Léon Gambetta, mit einem Freiballon die dramatische Flucht aus Paris. Zusammen mit Charles Louis de Saulces de Freycinet erklärte er die Stadt Tours zur provisorischen Hauptstadt. Von dort aus leiteten die beiden die Aufstellung und Ausrüstung von 36 Divisionen, die zum Entsatz von Paris vorgesehen waren. Im Dezember 1870 und Januar 1871 wurden diese Truppen jedoch von den Deutschen bei Orléans, Le Mans, Amiens und Saint Quentin geschlagen.
Belagerung von Paris, französische Kapitulation und deutsche Besatzung
Am 27. Oktober 1870 kapitulierte Marschall Bazaine mit 173 000 Mann in Metz. Paris wurde auf Drängen Bismarcks, der ein rasches Ende des Krieges herbeiführen wollte, bevor eventuell die neutralen Staaten eingreifen konnten, belagert und beschossen. Die Bürger der Stadt versuchten, den Feind mit primitiven und improvisierten Waffen abzuwehren. Als aber die Versorgungslage in Paris immer katastrophaler wurde, sah sich die Stadt am 19. Januar 1871 gezwungen, Kapitulationsverhandlungen aufzunehmen.
Einen Tag davor, am 18. Januar, war Wilhelm I., der preussische König, im Spiegelsaal von Schloss Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt worden – der Höhepunkt in Bismarcks unablässigen Bemühungen um die Einigung Deutschlands (Reichsgründung). Die formelle Kapitulation der Stadt Paris, verbunden mit einem Waffenstillstandsabkommen, erfolgte am 28. Januar 1871. Eine französische Nationalversammlung, die in Hinblick auf die Friedensverhandlungen gewählt worden war, trat am 13. Februar in Bordeaux zusammen und wählte Adolphe Thiers zum ersten Präsidenten der Dritten Republik; am 26. Februar kam der Vorfriede von Versailles zustande. Im März erhoben sich die Pariser gegen die neue Nationalversammlung und errichteten die Pariser Kommune. Die Kommune war gegen die preussischen Friedensbedingungen und kämpfte erbittert gegen die Regierungstruppen, die Thiers zur Unterdrückung der Kommune entsandt hatte. Im Mai ergaben sich schliesslich die Revolutionäre.
Der Friede von Frankfurt am Main, der am 10. Mai 1871 unterzeichnet wurde, beendete den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland formell. Frankreich trat das Elsass (mit Ausnahme von Belfort) und einen Teil Lothringens einschliesslich Metz an das Deutsche Reich ab und wurde zu einer Kriegsentschädigung in Höhe von fünf Milliarden Goldfranc verpflichtet; bis zur vollständigen Begleichung des Betrages sollten deutsche Besatzungstruppen in Frankreich verbleiben. Diese Auflage wurde im September 1873 zurückgenommen, und noch im selben Monat zogen die letzten deutschen Besatzungstruppen aus Frankreich ab.
Der Deutsch-Französische Krieg hatte die Vollendung der Einigung Deutschlands unter preussischer Führung gebracht; er hatte zugleich das Kräfteverhältnis in Europa weiter zugunsten des neuen Deutschen Reiches und zuungunsten Frankreichs verändert und infolge der Abtretung Elsass-Lothringens den deutsch-französischen Gegensatz vertieft.
Sieg, neues Reich...
Die darauffolgende Reichsgründung Deutschlands, ein am 18. Januar 1871 durch die Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser vorläufig abgeschlossener Prozess der Entstehung des Deutschen Reiches, ging keinesfalls ohne Nebengeräusche über die Bühne. Das besiegte Frankreich musste als Schauplatz für die machtbewussten Preussen herhalten. Der von weiten Teilen des deutschen Bürgertums geforderte Nationalstaat kam als obrigkeitlich inszenierter Krieg nach aussen und Putsch nach innen zustande, ohne dass das Bürgertum die künftige Form "ihres" neuen Staates hätte gestalten können. Am Anfang stand die Uneinigkeit des Deutschen Bundes - am Ende die Provokation Bismarcks. Allzeit anzutreffen jedoch waren der Wunsch nach einem Nationalstaat und einem Monarchen, der die Rolle eines integrierenden Staatsmannes übernehmen sollte. Die Bereitschaft der Bürger in den deutschen Ländern, Preussen gegen Frankreich zu unterstützen, mag dies verdeutlichen.
Nun: Die Revolution von 1848, der Deutsche Krieg gegen Österreich von 1866, die Gründung des Norddeutschen Bundes und der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 schufen die wesentlichen historischen Voraussetzungen für die Reichsgründung. Nachdem die vier süddeutschen Staaten sich 1870 zum Eintritt in den Norddeutschen Bund bereit erklärt hatten und der preussische König den Kaisertitel in Versailles nach anfänglichem Zögern akzeptiert hatte, konnte die Reichsverfassung am 16. April 1871 in Kraft treten.
Sie definierte das Reich als konstitutionell-monarchischen Bund aus 22 Einzelstaaten und drei Freien Städten. Der Reichstag aus zunächst 397 direkt gewählten Abgeordneten bildete das Parlament, in dem nach den ersten Wahlen vom 3. März 1871 die Nationalliberalen klar dominierten. Die Einzelstaaten konnten ihre Stimme im Bundesrat geltend machen, dem Otto von Bismarck als erster Reichskanzler vorstand. Darüber hinaus hatte Bismarck die Leitung über die Exekutive inne, während dem Kaiser als Staatsoberhaupt der Oberbefehl über das Heer zukam. Überproduktion, Spekulation und eine allgemein hektische wirtschaftliche Aktivität prägten die Gründerjahre, die Anfangsjahre des Deutschen Reiches, im wirtschaftlichen Bereich. Bismarcks 1871 begonnener Kulturkampf, der sich vor allem gegen die katholische Kirche richtete, belastete die Anfänge des Deutschen Reiches schwer.