Gerhard Duncker
Christen in der Türkei - wie Fische auf dem Trockenen
"Wie wichtig das Wasser für den Fisch ist, merkt er erst, wenn er keines mehr hat, wie wichtig unsere Kirche für uns ist, merken wir erst, wenn wir sid nicht mehr haben"
Voller Resignation ist dieser Satz eines jungen syrisch-orthodoxen Christen in Midyat, im Südosten der Türkei. Die meisten der ehemals 200 000 Angehörigen dieser Minderheit haben ihr angestammtes Siedlungsgebiet, den Tur Abdin, verlassen, sind nach Deutschland oder in die skandinavischen Länder ausgewandert; etwa 12.000 von ihnen wohnen heute in Istanbul, knapp 2.000 sind noch in der alten Heimat geblieben. Die Kirche ist die Klammer, die sie zusammenhält, ihnen sprachliche und religiöse Identität verleiht. Aber die Zeit der Christenheit in der Osttürkei scheint zu Ende zu gehen, trotz eines Apells von Ministerpräsident Ecevit an die Christen im Ausland, sie sollten zurückkommen.
So wie den syrisch-orthodoxen Christen ergeht es im Prinzip allen christlichen Minderheiten in der Türkei. Von einst 250.000 Griechisch-Orthodocen in Istanbul sind knapp 2.000 übriggeblieben, von mehr als zwei Millionen Armeniern (in osmanischer Zeit) leben noch 80.000 im Land. Alle Christen zusammen, einschließlich der Ausländer, stellen heute einen Bevölkerungsanteil von weniger als einem Prozent, Tendenz sinkend, fühlen sich doch die Christen oft als Bürger zweiter Klasse. Zu sehr greift der Staat, dessen Verfassung eine strenge Trennung von Politik und Religion vorsieht, immer wieder in das Leben der Christen und ihrer Kirchen ein.
Als säkularer Staat garantiert auch die Türkei in ihrer Verfassung das Recht des einzelnen auf Religionsfreiheit. Schwierig wird es, wenn sich mehrere einzelne zu einer Gruppe zusammenschließen und etwa eine Kirche oder ein Gemeindehaus bauen wollen. Das geht schon seit etwa 80 Jahren nicht mehr ohne weiteres. Das aus den Zeiten Atatürks stammende Verbot, das eigentlich gegen islamische Gemeinschaften gerichtet war, wird in der Praxis fast ausschließlich gegen christliche Gemeinschaften angewandt. Keine christliche Gemeinde darf neue Gebäude errichten. Dagegen ist heute überall der Bau von Moscheen zu beobachten. Nun haben etwa die Griechen mehr Kirchen, als sie brauchen. Sie könnten vielleicht eine der nicht genutzten Kirchen einer neu gegrundeten türkisch-evangelischen Gemeinde geben, die kein Gebäude hat. Das allerdings ist verboten und kann zur Enteignung des Gebäudes führen. Da Kirchen keine juristischen Personen, geschweige denn Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, können sie auch keine Immobilien als Geschenk annehmen oder erben. Selbst das Mieten vön Räumen ist ihnen verwehrt.
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