Zur Eingangsfrage:
Technischer Fortschritt ist vielleicht am einfachsten zu definieren:
Technischer Fortschritt ist dann gegeben, wenn technische Verfahren und das Wissen darüber sich verbessern, durch die Dinge überhaupt, qualitativ hochwertiger, effizienter, billiger, einfacher oder umweltschonender hergestellt werden können. Technischer Fortschritt impliziert wissenschaftlichen Fortschritt, wobei wissenschaftlich hier naturwissenschaftlich oder ingenieurswissenschaftlich (also so wie engl. science) meint. Technischer Fortschritt hat gegenüber gesellschaftlichem Fortschritt den Vorteil, einfacher feststellbar zu sein.
Zudem profitiert er wohl am direktesten vom wissenschaftlichen Fortschritt. Und dieser ergibt sich daraus, daß die Methode der Naturwissenschaften sich in den letzten Jahrhunderten als überaus erfolgreich erwiesen hat.

Gesellschaftlicher Fortschritt hängt m.E. enger mit der gesellschaftlich-kulturellen Entwicklung zusammen, die wiederum einen starken Bezug zu den Geistes- und Textwissenschaften hat. Gesellschaftlichen Fortschritt zu definieren fällt m.E. schwer. Nicht nur mir, sondern ich glaube es daran zu erkennen, daß ich nirgendwo bisher eine vernünftige Definition gefunden habe. Nimmt man die Frage ob Menschen zu einer bestimmten Zeit glücklicher leben als zu einer anderen, früheren zum Maßstab und sagt, es gibt Fortschritt, wenn dies der Fall ist, so kann man wohl feststellen, daß es bisher im Verlauf der Menschheitsgeschichte keinen wesentlichen Fortschritt gegeben hat. Ich zumindest glaube, die Grundprobleme der Menschheit sind nach wie vor dieselben wie vor 4000 Jahren.
Ein Spannungsverhältnis zwischen technischem und gesellschaftlichem Fortschritt sehe ich gerade dort, wo der technische Fortschritt sehr weit fortschreitet - was eine große Machtfülle mit sich bringen kann, was man sieht, wenn man beispielsweise an die Atombombe denkt - und der gesellschaftliche Fortschritt, der ja auch den Grad der ethischen und moralischen Entwicklung einer Gesellschaft enthält, damit nicht schritthält. Inwieweit dies an einer gewissen Fruchtlosigkeit der Geistes- und Textwissenschaften liegt, auf den gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt wirklich einzuwirken, könnte man zusätzlich fragen.

Was wirtschaftlichen Fortschritt angeht, ist dieser zwar am einfachsten meßbar, jedoch auch nicht ganz naiv. Wirtschaftswachstum läßt sich recht einfach messen. Ist dadurch aber schon wirtschaftlicher Fortschritt gegeben, wenn ein Nullwachstum durch einen hohen Schuldenberg zum Rückschritt wird?
Jährliches Wirtschaftswachstum nach der Art %/Jahr läuft unweigerlich auf exponentielles Wachstum hinaus. Dies kann es natürlicherweise nur phasenweise geben. Natürlicherweise deshalb, weil es in der Natur niemals über den gesamten Lebenszyklus ein exponentielles Wachstum gibt - dazu ist die Dynamik der Exponentialkurve zu groß. Ob Theorien, die besagen, ein derartiges wirtschaftliches Wachstum endet irgendwann im Knall - einem Krieg -, richtig sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Denn dies ist die bisher längste Phasen kontinuierlichen Wirtschaftens ohne Krieg, die Europa jemals erlebt hat. In jedem Fall halte ich es für angeraten, den Schuldenberg aus dem Grunde abzubauen, daß allein um der Erhaltung des status quo Willen, also für Stillstand, kein oder nur ein sehr geringes Wirtschaftswachstum nötig ist.
Einerseits kann man an wirtschaftlichem Wachstum insofern einen gewissen gesellschaftlichen Fortschritt oder besser Mindestlevel erkennen, daß relativ freies Wirtschaften, das Voraussetzung für eine ab einem bestimmten Niveau wachsende Wirtschaft ist, ein Maß an gesellschaftlicher Freiheit vorraussetzt, die ohne eine "fortschrittliche" Gesellschaft undenkbar ist. Andererseits kann wirtschaftliches Wachstum, dem elementare gesellschaftliche Errungenschaften geopfert werden müssen, einen gesellschaftlichen Rückschritt bedeuten. Inwieweit dies beispielsweise auf die momentane deutsche Situation zutrifft, darüber wird heftig gestritten.

Wirtschaftswachstum: wie weit kann eine Wirtschaft wachsen? Stößt sie nicht irgendwann an Grenzen? Seien es geographische Grenzen, beschränkte Produktionsmittel oder Arbeitskraft.

Ob ein Land wie Deutschland überhaupt noch reicher werden sollte als es ist, ist auch eine Frage, die man diskutieren kann.

Was den verderblichen Einfluß übermäßigen Konsums angeht, stimme ich Dir tendeziell zu. Ich frage allerdings, ob ein Schrumpfen des Wohlstandes sinnvoll wäre, der eine Alternative darstellt:
Ich glaube, das beides - Wachstum wie Wohlstand - sich selbst katalysierende, also selbstbeschleunigende Prozesse sind, die durchaus eine gewisse Eigendynamik - und damit schlechte Steuerbarkeit - entfalten. Ich plädiere als durchaus für mehr Wohlstand, allerdings ebenso für einen vernünftigeren Umgang damit. Ausgeprägte allgemeine Vernunft wiederum setzt allerdings stärkeren gesellschaften Fortschritt voraus.

Grüße
John