Es gibt interessante Umfragen, auf die kürzlich ein Telepolis-Artikel aufmerksam gemacht hat. Der Autor wollte damit begründen, dass das rechtspopulistische Potenzial in Deutschland und Europa steigt. Das mag wahr sein, ist aber freilich verkürzt: Das linkspopulistische Potenzial steigt ebenso, wie die Erfolge der Linkspartei und der WASG beweisen. Und um es noch komplizierter zu machen, fallen Parteien wie die NPD durch ein sozialistisches Wirtschaftsprogramm auf, durch Parolen wie "Kapitalismus zerschlagen" und Hartz4-Proteste. Die Verwechselungsgefahr steigt.
Eine zitierte Umfrage testet die Zustimmungsquote zu Themen wie Sicherheit oder Ausländer. Die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt laut Studie bei 1%. Zwei Fragen als Beispiel:
Ich fordere bereits länger, dass die etablierten Parteien (oder sich neu gründende im demokratischen Spektrum) endlich offensiv die Themen besetzen, von denen extreme Parteien profitieren können: Demokratiemüdigkeit (die ich als besonders gefährlich betrachte), Wunsch nach Volksabstimmungen, Aufgaben und Grenzen des Sozialstaates, Diskussion über EU-Erweiterungen und Liberalisierungen (hier hinkt die Ehrlichkeit über Nachteile der Ehrlichkeit über Vorteile hinterher), Migrationsproblematik, Alltags-Kriminalität.
Sicher gibt es Einstellungen von Bürgern, die höchst fragwürdig sind, wie etwa der Wunsch nach einem autoritären Führerstaat. Oder das Verinnerlichen antisemitischer Verschwörungstheorien. Hier hilft freilich nur Bildung, Aufklärung und Wissen.
Was aber falsch ist, unbequeme Forderungen und Gefühle der Mehrheit der Deutschen *generell* als "Extremismus" abzutun. Das gilt sowohl für das Thema Migration als auch für das Thema Wohlstandsverlust durch Arbeitslosigkeit. Jedes Zögern im Anpacken der Probleme ist fahrlässig, da sonst diejenigen Sympathien gewinnen, die gegen die freiheitliche Demokratie kämpfen.
Ich denke bei solchen Überlegungen in langfristigen Zeiträumen und mache mir ernsthaft Sorgen, dass die etablierten Parteien in 5-10 Jahren riesige Wählerschichten an Antidemokraten verlieren.
In diesem Zusammenhang möchte ich vier Kernaussagen des Sozialwissenschaftlers Schröders zitieren. Man sollte allerdings beachten, dass der Artikel drei Jahre alt ist.
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"Nicht 15 bis 25 Prozent der Jugendlichen haben danach rechtsextreme
Überzeugungen, sondern nur zwei Prozent."
"Die sehr viel höheren Ergebnisse früherer Studien kommen laut
Sozialwissenschaftler Schroeder, der hauptberuflich Leiter des
"Forschungsverbunds SED-Staat" ist durch suggestive Fragen und
voreingenommene Auswertung zu Stande. Die Rechtsextremismusforschung
ist seiner Ansicht nach "zeitgeistbedingt politisch und ideologisch
aufgeladen". Mit anderen Worten: Ihre Ergebnisse sind unbrauchbar."
"Zwar lehnen fast alle rechtsextremen Jugendlichen das Zusammenleben
mit Ausländern ab - aber der Umkehrschluss ("Fremdenfeindlichkeit
gleich rechtsextrem") gilt laut Schroeder eben nicht."
"Erstens ist nicht Rechtsextremismus das entscheidende Problem,
sondern das so genannte nichtzivile Verhalten vieler Jugendlicher:
Die Faszination von Gewalt verschafft vielen dieser Jugendlichen -
wie im übrigen auch vielen linksextremistischen Autonomen - einen
gewissen ,Kick'."
Fazit: Das Wegsehen vor den realen Problemen durch voreilige Stigmatisierungen verstärkt gesellschaftliche Probleme - deutschlandweit.
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