Frankfurt gewinnt an Internationalität
Immer mehr Unternehmen aus Asien siedeln sich an / Konkurrenz der Regionen um Investitionen aus dem Ausland
Trotz aller Kritik am Standort Frankfurt bleibt die Region ein Magnet für ausländische Unternehmen. Vor allem chinesische, koreanische und indische Firmen zieht es verstärkt nach Frankfurt.
VON PETER DIETZ
Menschen aus Südostasien in Frankfurt (FR)
Frankfurt · 16. März· Das Büro von Anatolij Neverov in der Bockenheimer Landstraße ist klein, aber wichtig. Unternehmer aus der russischen Gebietsregion Novosibirsk kommen an dem 45-jährigen Ingenieur nicht vorbei. Der Leiter der Handelsvertretung fädelt für sie von Frankfurt aus Geschäfte ein, öffnet ihnen Türen in Bankhäusern, vermittelt Kontakte. Auch das Büro von Satoru Ishii ist nicht groß. Im Oktober hat die Bezirksverwaltung Fukuoka, ein aufstrebender Wirtschaftsstandort am südlichen Zipfel Japans, eine eigene Vertretung in Frankfurt eröffnet.
Ausländer im Rhein-Main-Gebiet (FR-Infografik)
Anatolij Neverov repräsentiert eine Region mit 2,7 Millionen Menschen, Satoru Ishii einen Markt mit 15 Millionen Einwohnern und einer prosperierenden Automobil-Industrie. Davon könnte die Region profitieren; schließlich laufen alle Wirtschaftskontakte erst mal über Frankfurt. Und bald kommen auch die Chinesen - die Volksrepublik will am Main ihr drittes Generalkonsulat in Deutschland eröffnen.
Dann könnte Frankfurt sich als Sitz von 36 Generalkonsulaten, 3 Konsulaten, 12 Honorargeneralkonsulaten und 38 Honorarkonsulaten in Pose stellen. Mit 88 Ländervertretungen ist Frankfurt nach München (106 Vertretungen) und Hamburg (96) drittgrößter Konsularplatz.
Die Region profitiere allein schon vom Beschäftigungseffekt der Repräsentanzen, sagt Karin Zeni. Die Geschäftsführerin für Internationales bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt schätzt, dass etwa 1000 Männer und Frauen aus Rhein-Main in den Vertretungen beschäftigt sind. Wichtig für den Standort sei aber auch die Tatsache, dass bei Veranstaltungen hochrangige Repräsentanten und Entscheider nach Frankfurt kommen, um hier Kontakte zu knüpfen. "Wir sind Brückenkopf für viele Länder nach Deutschland und Europa."
Die Chinesen sind schon vor Eröffnung ihres Konsulats in Frankfurt rührig. Elf Unternehmen aus dem Reich der Mitte haben sich im vergangenen Jahr in Frankfurt niedergelassen - damit ist China Spitzenreiter bei den ausländischen Neugründungen. Die Zahl der chinesischen Firmen in Frankfurt stieg laut Wirtschaftsförderung auf 180. Und das Potenzial ist noch riesig.
Werben um Chinesen
Experten schätzen, dass China seine Auslandsinvestitionen bis 2015 von sieben auf 65 Milliarden Euro steigern werden; etwa drei Prozent werden nach Deutschland fließen. Und Frankfurt will was von dem Kuchen abbekommen. "Die Zahl der chinesischen Ansiedlungskandidaten scheint unerschöpflich", sagt Hartmut Schwesinger, Chef der städtischen Wirtschaftsförderung. Derzeit gebe es mehrere Pläne für China-Zentren, die mittelfristig die Ansiedlung von zahlreichen Firmen anstreben. Ein "China-Office" wie in Hamburg gibt es am Main nicht. Die Wirtschaftsförderung habe aber seit langem eigens einen Projektleiter China: "Er und eine weitere Mitarbeiterin sprechen Chinesisch." Selbst eine chinesische Internetseite hat die Wirtschaftsförderung.
Nicht nur die Chinesen hat Schwesinger im Blick. "Aus Indien haben wir die größte Zahl der renommierten IT-Firmen bereits angesiedelt", sagt Schwesinger, "es bleiben jetzt noch kleine und mittelständische übrig". Die Konkurrenz der deutschen Regionen wird auch im Ausland spürbar. "In Indien werden wir massiv von Bayern angegriffen", sagt Schwesinger. "Das ist wie David gegen Goliath. Wir suchen nur noch nach der geeigneten Schleuder."
Aktuell verhandelt die Wirtschaftsförderung mit 45 Unternehmen über eine Ansiedlung - darunter eine iranische Handelsfirma, ein pakistanisches Textilunternehmen, ein israelischer Gastronomiebetrieb. Stark vertreten in Frankfurt etwa ist Korea. Das Rhein-Main-Gebiet beherbergt mit 200 Unternehmen und mehr als 4400 Menschen die größte koreanische Community in Europa. Eine eigene Schule haben die Koreaner hier und eigene Ärzte. Die Zahl der im Rhein-Main-Gebiet lebenden Japaner ist innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent auf 4700, die der Chinesen gar um 60 Prozent auf 5000 Männer und Frauen gestiegen. Angesichts solcher Zahlen stellt Zeni fest: "Frankfurt gewinnt an Internationalität".
Drehscheibe für Europa
Ob Koreaner, Inder oder Russen - ausländische Unternehmen seien für Frankfurt außerordentlich wichtig, sagt Zeni. Die Firmen schaffen nicht nur Arbeitsplätze, ihre Familien und Mitarbeiter kurbelten die Konjunktur auch als Konsumenten an. Als Branchen mit hohem internationalen Anteil nennt Wirtschaftsförderer Schwesinger Automobil, Elektronik und Gastronomie. Und nicht zu vergessen: die Banken. Fast 200 der 315 ansässigen Geldhäuser sind ausländische Vertretungen. Warum Frankfurt und nicht München? Der Japaner Satoru Ishii weiß gleich zwei Gründe. Den Flughafen nennt er zuerst. "Frankfurt ist die europäische Drehscheibe", sagt er. Zudem sei die Stadt am Main nicht so teuer wie die an der Isar.