Auf knapp eine halbe Million Menschen, besser: Wähler, setzt die deutsche Sozialdemokratie derzeit ihre ganze Hoffnung. Minus 10,3 Prozent in Hessen, minus 14,5 in Niedersachsen und minus 13,1 in Schleswig-Holstein - nach den vergangenen Katastrophen im Wahljahr 2003 erhofft sich die SPD am 25. Mai die Trendwende ausgerechnet vom kleinsten deutschen Bundesland.
Tatsächlich sind die Umstände vielversprechend: Denn der Regierungschef des Stadtstaates, Oberbürgermeister Henning Scherf, scheint einer der letzten beliebten Sozialdemokraten mit Amt zu sein - zumindest regional, denn er genießt nach wie vor hohe Popularität in der Hansestadt. Und die Koalition mit der CDU als Juniorpartner wollen beide Parteien fortführen, was die Mehrheit der Bremer laut Umfragen auch befürtwortet.
Bis vor kurzem deutete auch alles darauf hin, dass die SPD zumindest nicht dramatisch einbricht und den Juniorpartner CDU mit dem Spitzenkandidaten und Finanzsenator Hartmut Perschau mit sieben bis acht Prozent klar auf Distanz hält. Doch die quälende Reformdebatte und die bundesweit miese Stimmung für Kanzler Gerhard Schröder und seine Bundes-SPD scheint jetzt auch auf die Hansestadt durchzuschlagen. In den jüngsten Umfragen liegen die Sozis fast gleichauf mit den Konservativen - und hätten damit wieder über vier Prozent verloren.
Eigentlich eine Chance für die Kleinen: Die Grünen können auf einen satten Zugewinn von neun auf 13 bis 14 Prozent rechnen. Die FDP hat realisitische Chancen, wieder in das Bremer Parlament, die Bürgerschaft, einzuziehen, nachdem sie bei der letzten Wahl 1999 mit 2,5 Prozent in der Bedeutungslosigkeit zu versinken drohte.
Dumm nur, dass ein Wechsel an der Spitze von Bremen und Bremerhaven von den beiden Großen so gut wie ausgeschlossen wird. Zwar geht die SPD ohne Koalitionsaussage in die Wahl, weil mancher Genosse nach acht Jahren rot-schwarz lieber rot-grün wäre. Doch Zugpferd Henning Scherf weiß, dass "die Sozialdemokraten ziemlich genau wissen, wo ich als ihr Spitzenkandidat hin will, und respektieren das". Der OB will, jeder weiß das, rot-schwarz, und SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen erklärt vorsichtshalber: "Ich glaube nicht, dass die SPD Henning Scherf einen Wunsch abschlagen wird."
Noch wohler fühlt sich die CDU in der Ehe. Sie hat sich bereits voll auf weitere vier Jahre an der Seite der SPD festgelegt und malt zur Untermauerung das bekannte rot-grüne Schreckgespenst an die Wand: Das wäre ein "Albtraum" für Bremen, die "Rückkehr zum alten Schlendrian". CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau warnt, eine rot-grüne Regierung würde die dringend nötige Sanierung der angeschlagenen Landesfinanzen nicht schaffen: "Wir sind mit der Sanierung noch lange nicht durch. Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich sage, dass wir die große Koalition fortsetzen müssen."
Solche Bekenntnisse nerven Grüne wie Liberale gleichermaßen. Die Grünen-Spitzenfrau Karoline Linnert glaubt zwar einen "großen allgemeinen Verdruss" in der Bevölkerung über die große Koalition. Sicher ist sie sich aber nicht: "Es ist nicht unbedingt so, dass die Leute sagen: Die große Koalition ist ja furchtbar, nie wieder, jetzt muss unbedingt Rot-Grün her."
Der FDP-Spitzenkandidat Claus Jäger wiederum wirft der Union "Kleinmut" vor, weil sie die Möglichkeit einer bürgerlichen Regierung nicht einmal in Erwägung zieht. Nach den aktuellen Umfragen sind Konservative und Liberale allerdings auch weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Doch Jäger glaubt dem zum Trotz tapfer an zehn statt der vorhergesagten knapp fünf Prozent - und dann sehe das mit der Mehrheit schon wieder anders aus.
Von Jan Eger, T-Online, und Ulrich Steinkohl, dpa