Der fragwürdige Umgang des Verfassungsschutzes mit der "Neuen Rechten"
von Till-R. Stoldt
Düsseldorf - - Die Verfassungsschützer in NRW diskriminieren unliebsame Journalisten und diffamieren Meinungen. Das behauptet die rechtsgerichtete Wochenzeitung Junge Freiheit ("JF"). Weshalb sie kürzlich eine Klage beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht einreichte. Die Zeitung, vertreten vom früheren Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, klagt gegen ihre Erwähnung im Landesverfassungsschutzbericht 2002. Seit neun Jahren lässt NRW die Junge Freiheit beobachten.
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So erkennt der 94er-Bericht in dem Zitat eines JF-Autors, "es habe in Deutschland keinen Faschismus gegeben", eine "Verharmlosung von NS-Verbrechen" - obwohl zahlreiche anerkannte NS-Experten die beanstandete Meinung teilen. Historiker wie der Bonner Professor Klaus Hildebrand lehnen das Etikett "Faschismus" für die Nazizeit als viel zu ungenau ab. Faschismus habe es nur in Italien gegeben, woher der Begriff ja auch stammt. Dem Verfassungsschutzbericht folgend wären diese Historiker allesamt Radikale.
Typisch für rechtsextreme Propaganda ist laut 95er-Bericht auch die Ansicht eines JF-Autors, in Deutschland werde "zwanghafte Vergangenheitsbewältigung" betrieben. Womit das Urteil etwa über den Schriftsteller Martin Walser gefällt wäre. Der warnte immerhin vor Auschwitz als "Drohroutine", "Einschüchterungsmittel" oder "Moralkeule". Aber auch Bundeskanzler Schröder wäre dann belastet, bekannte der sich doch zu Sympathien für Walser. Extremer Umtriebe verdächtig wären schließlich renommierte Historiker wie Heinrich August Winkler. Denn der äußerte, bei manch Gutmeinendem habe die NS-Vergangenheitsbewältigung die Form eines "negativen Nationalismus", einer "negativen Sinnstiftung" und somit zwanghafte Züge angenommen.
Laut Verfassungsschutzbericht demonstriert auch folgendes JF-Zitat Extremistengesinnung: "So sehr es zu bedauern ist, führt doch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Vielvölkergesellschaften immer auch Konfliktgesellschaften sind." In einer aktuellen Studie legt der Verfassungsschützer Thomas Pfeiffer sogar fest, es sei ein rechtsextremes Merkmal, den Zuzug von Ausländern auf ein unvermeidliches Minimalmaß beschränken zu wollen oder sich gegen "Multikulturalismus" zu engagieren. Wer Zuwanderung erheblich reduzieren will, wie die Unionsparteien, ist demzufolge mindestens punktuell rechtsextrem.
"Angesichts solcher Simplifizierungen" fordert Theo Kruse, der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, der Verfassungsschutzbericht müsse "unmissverständlicher zwischen bürgerlichen und extremen Meinungen unterscheiden" - gerade weil der Bericht Autorität genieße und sein Urteil Gewicht habe. "Bürgerliche Skepsis gegenüber Multikulti-Ideen beispielsweise darf nicht leichtfertig diffamiert werden."
Alexander von Stahl geht noch einen Schritt weiter: "Hier sollen Meinungen, die keineswegs extrem sind, diskriminiert werden", vermutet der vormals höchste Staatsanwalt der Republik. Als "Spiritus Rector" im Hintergrund hat er Dr. Thomas Pfeiffer ausgemacht, den zuständigen wissenschaftlichen Mitarbeiter - dem nicht nur von Stahl "einen ziemlich linken Hintergrund" attestiert. In seiner Klageschrift argumentiert von Stahl denn auch, beim Verfassungsschützer Pfeiffer bestünden "Anhaltspunkte für den Verdacht linksextremistischer Bestrebungen". So schrieb Pfeiffer noch in den letzten Jahren in der Zeitschrift "Der rechte Rand", die das Bundesamt für Verfassungsschutz als "linksextremistisch" charakterisiert; auch soll er als Gastredner bei autonomen Antifa-Gruppen aufgetreten sein.
Aber in Nordrhein-Westfalen kann offenbar durchaus für den Verfassungsschutz arbeiten, wer sich noch vor kurzem im linksextremen Milieu wohl fühlte. Weshalb sich von Stahl fragt: "Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure in NRW?"
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