Brandenburger Dorf fürchtet braunes Schulungszentrum
Von Philipp Wittrock
Das niedersächsische Delmenhorst hat gerade mit viel Geld ein rechtsextremes Schulungszentrum verhindert, da droht in Brandenburg neues Ungemach. Der Hamburger Neonazi-Anwalt Rieger soll Interesse an einem früheren LPG-Gelände in Kleinow haben. Die Bürger sind entsetzt.
Hamburg - Gestern Delmenhorst, heute Kleinow - auf der Suche nach einem geeigneten Gelände für ein rechtsextremes Schulungszentrum ist der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, 60, wieder einmal fündig geworden - diesmal in der Brandenburger Prignitz. Im 230-Seelen-Dorf Kleinow in der Gemeinde Plattenburg soll Rieger, der im Bundesvorstand der rechtsextremen NPD sitzt, sich für das Gelände einer ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) interessieren. Das Gemeindeamt bestätigte heute einen entsprechenden Bericht des "Tagespiegels".
Interessant für NPD-Vorstandsmitglied Jürgen Rieger: Das ehemalige LPG-Gelände in Kleinow
Auf dem 14.000 Quadratmeter großen Gelände stehen mehrere sanierungsbedürftige Gebäude, in denen bis zu 70 Personen übernachten können. Der derzeitige Besitzer, der das Areal vor einigen Jahren erworben hatte und in einem Nachbardorf wohnt, wollte die LPG ursprünglich zu einem Ferienlager für Jugendliche umbauen. Das Vorhaben scheiterte aber an Kreditvorgaben der Banken, jetzt will der Mann das Grundstück loswerden. Über den Kaufpreis wurde nichts bekannt, laut Nachrichtenagentur dpa kursierten im Ort Gerüchte über eine Summe von 500.000 Euro.
Jetzt hat sich Rieger, der als ausgesprochen vermögend gilt, das Grundstück im Nordwesten Brandenburgs näher angeschaut - und die Aufregung ist groß. Seit die Verwaltung vor zwei Tagen von seinem Interesse Wind bekommen hat, geht in Kleinow die Angst um, das Stigma einer braunen Hochburg verpasst zu bekommen.
"Das ist alles nicht schön für uns", sagt Kleinows Ortsbürgermeister Uwe Schäffer, der einer freien Wählergemeinschaft angehört. Deutlicher wird die parteilose Bürgermeisterin der Gemeinde, Gudrun Hoffmann: "Wir sind über das Vorhaben sehr entsetzt." In einem persönlichen Gespräch hat sie schon versucht, dem Eigentümer des Geländes ins Gewissen zu reden - bisher vergeblich. Mit der NPD habe er nichts zu tun, sagte der Mann dem "Tagesspiegel". "Ich bin durch und durch Demokrat, stehe aber finanziell mit dem Rücken zur Wand. Ich muss verkaufen, und außer dem Herrn Rieger hat sich leider kein Interessent bei mir gemeldet."
NPD will in diesem Jahr "Fakten schaffen"
Damit droht ein Kraftakt wie zuletzt in Delmenhorst. Monatelang kämpfte dort die Stadt gegen den Verkauf eines Hotels, an dem Rieger Interesse angemeldet hatte. Der Anwalt bot 3,4 Millionen Euro für das leerstehende Haus, obwohl Gutachter den Wert des Gebäudes deutlich niedriger taxierten. Letztlich kaufte die Stadt das Hotel für drei Millionen Euro. Fast eine Million waren Spenden von Bürgern.
Bei der NPD äußert man sich zurückhaltend zu Riegers Kaufabsichten in Kleinow. Wenn es sich um einen Privatkauf des Anwalts handle, könne man aber davon ausgehen, dass auch die Partei das Gelände nutzen könne, sagt Sprecher Klaus Beier. Rieger ist erst im vergangenen Herbst in die NPD eingetreten und wurde beim Parteitag im November in den Bundesvorstand gewählt.
In Brandenburg ist die Partei seit Monaten auf Immobiliensuche. Man sichte derzeit 21 Kaufangebote, sagt Beier, der auch Chef des dortigen Landesverbandes ist. Die Häuser und Grundstücke lägen über das ganze Land verstreut, die meisten aber in der Region Oder-Spree-Kreis und Spreewald. Vor einem Vertragsabschluss stehe man nicht, "aber im Jahr 2007 wollen wir Fakten schaffen", sagt Beier. Auch zwei Schenkungsangebote lägen der Partei vor.
Rieger war heute für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Dem "Tagesspiegel" sagte er, etwa 200 Immobilienangebote aus ganz Deutschland zu haben. "Dass auch die Prignitz dabei ist", wolle er nicht ausschließen. Er bestreitet aber, schon einen Kauf signalisiert oder einen Betrag genannt zu haben. Rieger wird nachgesagt, dass er sich derzeit um die Übernahme des NPD-Vorsitzes in Hamburg bemüht. Der vom Verfassungsschutz als Rassist eingestufte Anwalt soll über ein Millionen-Vermögen aus Nazi-Erbschaften verfügen.
Scheingeschäfte mit Immobilien
Es müssen nicht mal 200 Immobilien sein, um sich auszumalen, womit in Zukunft noch zu rechnen ist: Wenn ein Kauf in einer Gemeinde scheitert, geht es andernorts in die nächste Runde. Dann formiert sich dort wieder Widerstand gegen einen drohenden Neonazi-Stützpunkt. Die lokale Politik sucht händeringend andere Kaufinteressenten als die NPD. Wenn sie keine findet, springt die (meist chronisch klamme) Kommune selbst in die Bresche und kauft die Immobilie. Die NPD sucht dann wieder woanders weiter, das Spiel geht von vorne los.
Der SPIEGEL hatte schon im vergangenen Sommer über Warnungen des Verfassungsschutzes berichtet, nach denen hinter angeblichen Kaufabsichten der Neonazis nur Scheingeschäfte stecken, um den Preis für schwer verkäufliche Immobilien in die Höhe zu treiben - und Geld in die Kassen von Partei und Hausbesitzern zu spülen.
Auf diese Möglichkeit weist nun auch die Brandenburger Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann hin. Sie fügt aber hinzu: Die wachsende Armut in Brandenburgs ländlichen Gebieten könne tatsächlich Grundstückseigentümer in Finanznöte bringen - und werde so zum Türöffner für mögliche rechtsextreme Unterwanderungsstützpunkte.
Das Brandenburger Innenministerium geht im Fall Kleinow zurzeit nicht von einem Scheinkauf aus. Seit gestern weiß die Behörde, dass Rieger sich für das Gelände interessiert. Die Landesregierung werde alles tun, um ein rechtes Zentrum in der Prignitz zu verhindern, kündigt eine Sprecherin nun an - rechtlich könne man jedoch einen solchen Privatverkauf nicht verhindern.