Eine Zeitung steuert um
Berlin: Nachdem ein Redakteur böse Erfahrungen mit jungen Ausländern gemacht hat, änderte der „Tagesspiegel“ seine Berichterstattung
Richard Stoltz
Alles begann mit einer alltäglichen Begebenheit mitten in Berlin: eine Sache, von der jeder weiß, doch über die man in gewissen Kreisen besser nicht spricht. Diesmal, an jenem schönen Oktobertag vergangenen Jahres, traf es den Lokalchef des Berliner
Tagesspiegels. Gerd Nowakowski war mit seiner kleinen Tochter in einem Bus der Berliner Verkehrsbetriebe unterwegs. Da geriet er mit ausländischen Jugendlichen in Streit, weil er sie bat, die Füße von den Sitzen zu nehmen. Die Geschichte endet damit, daß der gute Mann mit seinem Kind aus dem Bus hinten aus- und vorne wieder einsteigt und letztlich aus Furcht eine Haltestelle länger mitfährt als geplant.
Nowakowski ging aus der Auseinandersetzung körperlich unversehrt, aber doch seelisch geschlagen hervor. Er hatte die Überlegenheit der Jugendlichen anerkennen müssen. Weder seine Schlagfertigkeit noch sein Intellekt hatten ihm helfen können. Er mußte am eigenen Leibe erfahren, was viele seiner Leser in der Stadt täglich durchmachen, worum sich aber niemand kümmert, weil doch Ausländer niemals Täter, sondern immer nur Opfer sein können.
Es sei ein „Allerweltsvorfall“ gewesen, schreibt Nowakowski darüber, „jeden Tag in Berlin wahrscheinlich hunderte Male zu erleben“. Man spürt seine Resignation, die offenbar in dem Gedanken mündete, wir sind hilflos, wir sind nicht mehr Herr im eigenen Land; all jene, denen es so geht wie mir, sollen endlich Gehör geschenkt bekommen. Dabei war er noch deutlich besser davongekommen als manch anderer, der bei einer solchen Auseinandersetzung vielleicht ein Messer zwischen den Rippen spürt. Nowakowskis lähmende Wut führte offenbar zu einem radikalen Umdenken, das die Linie des Blattes veränderte.
Leicht überhebliches, liberales Blatt
Der
Tagesspiegel ist seit jeher ein leicht überhebliches, als liberal geltendes Berliner Blatt gewesen, das eine bürgerliche, aber linke Klientel anspricht. Der Feind ist klar verortet - er steht rechts. Neue Leute holt man sich gern auch von der taz, Gerd Nowakowski zum Beispiel. Fast zwanzig Jahre lang arbeitete der Journalist für die linksalternative Zeitung. Er stieß schon 1980 zu der Redaktion, als sie noch das Sprachrohr der Hausbesetzer und RAF-Sympathisanten-Bewegung war.
Nowakowski blieb nicht der einzige mit solcher Vergangenheit. Und so ist der
Tagesspiegel wahrscheinlich eine der ganz wenigen ernstzunehmenden Zeitungen in Deutschland, die sich einen Reporter leisten, der ausschließlich das Thema Rechtsextremismus bearbeitet. Das erfordert eine Spur Fanatismus und manchmal auch Phantasie.
Frank Jansen, so heißt die Antifa-Edelfeder der Hauptstadtzeitung, zählt Tötungsdelikte, die angeblich rechts motiviert waren. Er versucht, die offiziellen Kriminalitätsstatistiken zu korrigieren, und tut permanent so, als werde die Gefahr von rechts deutschlandweit unterschätzt. Wer soviel darüber schreiben und das Thema permanent am Köcheln halten will, bei dem verwischen zwangsläufig die Grenzen. So ist wahrlich nicht jeder, den Jansen als radikal geißelt, tatsächlich ein böser Bube. Konservative, Nationalliberale, Patrioten, Skinheads, Neonazis rührt er so lange in einen Topf, bis augenscheinlich eine einzige braune Soße entsteht.
Es gibt bestimmt nicht wenige, die sich in diesen Wochen fragen, wie es Frank Jansen jetzt geht. Fühlt er sich plötzlich auch von Nazis in seiner eigenen Redaktion umzingelt? Denn Nowakowskis Erlebnis im Berliner Bus war eine Art Initiationsritus für die
Tagesspiegel-Mannschaft. Es brachen alle Dämme der Political Correctness. Tagelang fuhr das Blatt eine Kampagne zur Ausländerkriminalität. Es präsentierte Zahlen, die bis dahin tabuisiert waren, und ließ seine Leser von der Kette. Als wollten sie Jansens These bestätigen, daß der Rechtsradikalismus tatsächlich aus der Mitte der Gesellschaft komme, verwandelten sich die Zeitungsspalten in wahre Hetztiraden gegen Multikultiträume: „Das ganze Rumgefasel von Integration und Multikulti ist völliger Unsinn. Solche Menschen ziehen Deutschland runter und bringen es nicht voran. Diese unverschämte Aggressivität der jungen Araber hängt allen Berliner zum Halse raus“, hieß es da mit einem Mal.
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