Peter Scholl-Latour im Interview mit Jürgen Elsässer im November 2006
Elsässer:
"Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt", postulierte der heutige SPD-Fraktionschef
Peter Struck, als er noch Verteidigungsminister war. Stimmt das?
Scholl-Latour:
Das ist Unsinn. Die Bundeswehr sollte so schnell wie möglich abziehen.Spätestens seit 2003
liegen der Bundesregierung Berichte der deutschen Kommandeure am Hindukusch vor:
Die Lage ist verzweifelt, die Anschläge nehmen zu. Wenn es zu einem Aufstand der Stämme gegen die internationalen Truppen kommt, sind die deutschen Soldaten verloren. Für unsere Garnisionen gibt es keinen Evakuierungsplan, keine Exit-Option, noch nicht einmal Artillerie zur Verteidigung.
Elsässer:
Aus der Bundesregierung hört man, Deutschland dürfe nicht abziehen, sonst wären alle Aufbauleistungen der vergangenen Jahre verloren.
Scholl-Latour:
Welche Aufbauleistungen? Was gibt es da, außer dem Drogenanbau? Die Opiumernte ist 2005 um 40 Prozent gestiegen, aus Afghanistan werden jetzt 92 Prozent der weltweiten Nachfrage bedient. Und die Bundeswehrsoldaten stehen in Sichtweite der Mohnfelder und schreiten nicht ein. Sie können auch nicht einschreiten, denn dann werden die Drogenbarone böse, und wenn sie mit den Aufständischen gemeinsame Sache machen, müssten unsere Soldaten fliehen. Die Bundeswehr kann sich nur halten, indem sie mit Verbrechern kooperiert.
Elsässer:
Wie kommt Deutschland raus aus dem Schlamassel?
Scholl-Latour:
Die NATO ist obsolet. Damit meine ich nicht das politische Bündnis mit den USA. Aber die militärische Einbindung hat keinen Sinn mehr. Ich erinnere an Staatspräsident
Charles de Gaulle: Unter seiner Führung ist Frankreich 1966/67 aus der integrierten
Militärstruktur des Bündnisses ausgeschert, ohne die Mitgliedschaft in der NATO insgesamt
aufzukündigen.
:] Ein kluger Mann, dieser Scholl-Latour:]