Dabei gehst Du (meines Erachtens) von Zuständen aus, die so schon lange nicht mehr herrschen. Würde die Bevölkerung dieses Landes ganz überwiegend bestehen aus Menschen ethnokulturell deutscher Zuordnung, verwurzelt in ihren jeweiligen Regionen, gleich oder zumindest ähnlich in Sprache und Geschichte, geeint durch im wesentlichen ähnliche moralische Überzeugungen, wäre also insgesamt eine starke Gemeinschaft vorhanden, die ihre Stärke in sich selbst findet, könnte man einen solchen (ansich ja positiv zu sehenden, da besteht zwischen unseren Positionen gar kein Gegensatz) Rückbau des Staates in Angriff nehmen.
Von solchen Zuständne jedoch sind wir weiter entfernt denn je. Wir leben in einem Land entwurzelter Gestalten, ohne sichernenden geistigen Rückhalt in der Geschichte, weitgehend ohne verbindende positive Normen, ohne ethnokulturelle Homogenität. Eine Meute gehetzter, verunsicherter, aus eben dieser Verunsicherung nach einem Führer (in der einen oder anderen Form) schreiender Gestalten. EIne Meute, die durch die immer weiter aufklappende ökonomische Schere irgendwann zu jedem Blutgericht bereit sein wird - Hauptsache es gibt was zu fressen, und die schlimmsten Gestalten hängen.
Und wer will es den Leuten verdenken?
Hier herrscht Chaos, euphemistisch als "gesellschaftliche Pluralität" bezeichnet.
Chaos, das -noch- durch einen Staat leidlich an der blutigen Eskalation gehindert wird.
Einen gemeinsamen Willen der dadurch Beherrschten zum Staatsrückbau kann ich nirgendwo erkennen, was es von Desinteresse abgesehen gibt ist eher ein jeweiliger Wunsch, den Staat zu EROBERN und im eigenen Sinne gegen die jeweils anderen einzusetzen.
Ein Konsens, der davon unabhängig einfach nur individuelle Freiheit und deren Verwirklichung ganz nach eigenem Ermessen als höchstes Gut setzt und inmitten dieser Pluralität verbindend wirkt - den erkenne ich kaum bis gar nicht, und es wäre auch abstrus.
Wo jeder macht, was er will, herrscht kein MITeinander, sondern -bestenfalls- ein NEBENeinander. Und das ist eben kein einendes Band, auf dem eine Ordnung ruhen kann, die stark genug ist, den Staat nach heutigem Muster zu ersetzen. Weshalb ich für den Fall des Staatsrückbaus den gesellschaftlichen Zerfall in Subeinheiten erwarte, die dann in sich diese Geschlossenheit (die ja in gewissem Sinne durchaus der Gegenpol zu individueller Freiheit ist) finden.
Liberalismus, mag er auch aus -zum Teil- berechtigten Impulsen entstehen, ist ein selbsteliminatives Phänomen. Wird er konsequent praktiziert, entzieht er sich seine eigene Grundlage, nämlich die Ordnung, die ihn einst aufrechterhalten hat.
Ohne Zweifel, Konservatismus als -ismus ist ein bewusstgemachter politischer Wille mit bestimmten Inhalten- Und wenn der konservative Grundimpuls statt den Boden zu bieten, auf dem sich anderes, bewusstes Handeln entwickelt, selber bereits zum politisch bewussten Willen wird, dann zeigt das bereits an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Unter akzeptablen gesellschaftlichen Umständen hat das Konservative keinen Grund, sich seiner selbst reflektierend bewusst zu werden.
Aber genau diesen Zustand, diese Nichtmehrsselbstverständlichkeit, die ehemals einfach unterschwellig vorausgesetzt wurde, dieses Politischwerden des Konservativen -was in gewissem Sinne bereits seine Entartung darstellt- , die Transformation dessen, was alle "Parteien" einen sollte in eine eigene "Partei", bringt die Setzung des voraussetzunglosen Individuums des Liberalismus hervor.
(Gesellschaftlicher) Liberalismus kann in meinen Augen nur existieren als Unteraspekt einer wesentlich NICHT liberalen Ordnung, von der er zehrt. Wird er selbst dominant, verfällt seine Grundlage.
Von der Schädigung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch das, was bei wirtschaftlichem Liberalismus herauskommt einmal ganz zu schweigen.