Hallo, Marduk und 08/15!
Seit dem Dreißigjährigen Krieg herrschte fast durchgehend, die Machtbilanz aus England, Frankreich, Russland, Preußen und Österreich. Wobei schon der Aufstieg Preußens nach dem Dreißigjährigen Krieg gewagt war: Preußen eckte überall an und ging nur dank eines Zufalls im Siebenjährigen Krieg nicht drauf.
Keiner wie Bismarck war sich der geostrategisch ungünstigen Lage Preußens (und später Deutschlands) in der Mitte der europäischen Großmächte so bewusst wie er. In einem Drahtseilakt aus Kriegen und versöhnlich-diplomatischen Schritten schuf er die "kleindeutsche Lösung". Bismarck wusste auch zweierlei: Frankreichs Revisionismus war nach 1871 auf absehbare Zeit nicht zu besänftigen und die Großmächte im Allgemeinen waren nur durch seine ehrliche "Saturierungsbeteuerung" gegenüber allen Großmächten zu beruhigen. Gegen wachsenden innenpolitischen Druck konnte Bismarck sein Versprechen nicht halten. Deutschland erwarb Kolonien und erweiterte seine Hochseeflotte beträchtlich, was das Misstrauen in der Welt rasant anwachsen ließ. Nebenei vernachlässigte man das Bismarck'sche Bündnissystem und sah unbekümmert zu, wie England und Frankreich, die sich seit Jahrhunderten spinnefeind waren, im Vergleich einigten, und wie Frankreich und Russland ein Bündnis schmiedeten. Fatalerweise hielt Deutschland einer Großmacht die absolute Treue, die wie keine zweite durch Nationalitätenkonflikte gefährdet war: Österreich-Ungarn.
Natürlich pokerten damals alle Großmächte bis zum Limit, nur Deutschland vergaß überm Pokern die Bündnispolitik und befand sich dann 1914 in einer Lage, in der es einen Weltkrieg nur durch Angriff gewinnen konnte. Mit dem Angriffskrieg (u.a. gegen neutrale Staaten) im August 1914 drückten sich die Deutschen selbst den Stempel des Aggressors auf, genau wie einst auch Preußen, als es Schlesien und Sachsen überfiel.
Die revisionistischen Traumtänzer sollen endlich begreifen, dass sich Deutschland in einer geostrategisch äußerst ungünstigen Lage befindet, die einfach keine Expansion inmitten etablierter Staaten zulässt. Da nützt(e) es auch nichts die beste Armee der Welt zu haben, wenn man sich nur Feinde macht und keinen langen Atem hat. Auch ein Bismarck'scher Drahtseilakt wäre nicht mehr möglich. Bismarck betrieb nach 1871 auch dadurch Entspannung und Vertrauensaufbau, dadurch dass Deutschland in den vielen europäischen Konflikten (1871-1914) neutral blieb und so als Schiedsrichterinstanz auftreten konnte. Heute bleibt Deutschland nichts anderes übrig als diplomatische Größe zu zeigen: als treibende Kraft der europäischen Integration, als Vermittler in Konflikten weltweit und als moralisches Vorbild (Obwohl Deutschland daran auch noch arbeiten muss.). Kein Witz: Die deutsche Verfassung ist eine der meistkopierten in der Welt. Und auch wenn die USA als alleinige Supermacht sich über das deutsche "Nein!" zum Irakkrieg einfach hinwegsetzen können, können die USA ohne Moral auf ihrer Seite diesen Krieg nicht gewinnen. Denn seit 1945 existieren Regeln basierend auf Moral. Sie sind zwar das Maß, das oft gebrochen wird, aber letztendlich bleiben sie das Maß der Vertrauenswürdigkeit, ohne die auf Dauer kein Einfluss aufgebaut werden oder bestehen kann.
Gruß Fars