Gesetzlicher Mindestlohn zur Verhinderung von Armutslöhnen notwendig
Mit einem gesetzlichen Mindestlohn wird Armut trotz Arbeit bekämpft, die auch in der Bundesrepublik weit verbreitet ist. So arbeiten bereits 36 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor: 24 Prozent bekommen prekäre Löhne und 12 Prozent erhalten gar Armutslöhne (-> Niedriglohnbereich). Prekäre Löhne bedeuten weniger als 2.163 Euro monatlicher Bruttolohn (Vollzeit), was 75 Prozent des Durchschnittslohns entspricht. Von Armutslöhnen spricht man, wenn ein Mensch weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohns verdient. Das sind derzeit 1.470 Euro brutto im Monat für eine Vollzeitarbeit. Davon sind gegenwärtig rund 3,8 Millionen Menschen in Deutschland betroffen.
Dieser Zustand ist unannehmbar. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde verhindern, dass Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, mit denen sie ihre Existenz nicht sichern können.
Mit einer ausschließlichen Festlegung der Löhne durch die Tarifparteien ist dieses Ziel gegenwärtig nicht zu erreichen. In den vergangenen Jahren haben sich Arbeitsmarktsegmente herausgebildet, in denen es keine Tarifbindung gibt oder in denen die Durchsetzungsmacht der Gewerkschaften nicht (mehr) zur Aushandlung armutssicherer Löhne ausreicht. Zudem unterlaufen immer mehr Unternehmen aus tarifgebundenen Branchen geltende Tarifverträge. Diese Entwicklungen befördern die Ausweitung von niedrig entlohnter Beschäftigung.
Nur mit Hilfe der gesetzlichen Festlegung eines Mindestlohns ließen sich gegenwärtig Armutslöhne vermeiden. Ein gesetzlicher Mindestlohn wäre eine einfache und einheitliche (politische und moralische) Orientierungsgröße für eine Untergrenze bei der Entlohnung jeglicher Beschäftigung. Dabei käme ein Mindestlohn auch den Unternehmen zugute, da sie vor so genannter "Schmutzkonkurrenz" und Lohndumping geschützt würden. Dadurch, dass alle Unternehmen den gleichen Lohn zahlen müssten, würden ruinöse Unterbietungswettläufe verhindert.
Hinzu kommt, dass die Menschen mehr Geld für den privaten Konsum zur Verfügung hätten, so dass durch einen Mindestlohn auch die dringend notwendige Binnennachfrage angekurbelt würde.
Nicht zuletzt wäre ein Mindestlohn sozial gerecht, weil er ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Reich begrenzen würde.
Höhere Löhne würden zudem zu höheren Steuereinnahmen des Staates führen. Steuereinnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass der Staat seine sozialen und kulturellen Aufgaben, wie etwa Bildung, Verkehrswege, Umweltschutz, erfüllen kann. Außerdem würden höhere Löhne die sozialen Sicherungssysteme - unter anderem Rente, Gesundheit - stützen, da höhere Beiträge in die Kassen fließen würden.
Das Mindestlohnkonzept der Fraktion DIE LINKE.
In die parlamentarische Arbeit hat die Fraktion DIE LINKE. das Thema Mindestlohn in zwei Stufen eingebracht. In der ersten Stufe wurde am 1. Juni 2006 der erste Antrag der Fraktion vom Februar 2006 in zweiter und dritter Lesung behandelt und in namentlicher Abstimmung entschieden. In diesem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, unverzüglich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen um den gesellschaftlichen Missstand von Armut trotz Arbeit zu beenden. Da der Antrags durch die Koalitionsfraktionen und durch FDP und Grüne abgelehnt wurde, hat die DIE LINKE. in einer zweiten Stufe im Oktober 2006 einen neuen Antrag ins Parlament eingebracht, in dem ein konkreter Vorschlag für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns unterbreitet wird.
Der Vorschlag zeichnet sich durch fünf Eckpunkte aus:
* Ein Mindestlohngesetz legt einen allgemeingültigen Mindestlohn fest.
* Ein Mindestlohngesetz legt fest, dass in den Branchen, in denen die tariflich vereinbarten Mindestentgelte über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, diese Tarife den allgemeinverbindlichen Mindestlohn für die jeweilige Branche bilden.
* Ein Mindestlohngesetz legt die Modalitäten der Einführung sowie der regelmäßig vorzunehmenden Anpassungen des Mindestlohns fest. Die Regelungen folgen dem Grundsatz der institutionalisierten Beteiligung die Tarifparteien.
* Der Einstieg in den gesetzlichen Mindestlohn erfolgt mit 8 Euro. Er kann in denjenigen Unternehmen schrittweise erfolgen, die nicht kurzfristig dazu in der Lage sind, ihren Beschäftigten einen Mindestlohn von 8 Euro zu zahlen.
* Nach dem Einstieg ist der Mindestlohn schrittweise soweit zu erhöhen, bis er ein Einkommen aus Vollzeiterwerbsarbeit oberhalb der Armutsgrenze ermöglicht. Danach ist der Mindestlohn regelmäßig so zu erhöhen, dass er dauerhaft oberhalb der Armutsgrenze verbleibt.
Die Höhe des Mindestlohns
Ein Mindestlohn in der Größenordnung von acht Euro ermöglicht bei einer Vollzeitarbeit (38,5 Stunden/Woche) einen Nettolohn, der mindestens auf der Höhe der Pfändungsfreigrenze von 985 Euro liegt.
Die vom Gesetzgeber festgelegte Pfändungsfreigrenze besagt, dass eine allein stehende Person, die weniger als 985 Euro im Monat bekommt, trotz Schulden nicht gepfändet werden darf. Denn weniger als 985 Euro reichen nicht zum Leben. Die Forderung von 8 Euro stellt jedoch nur den Einstieg in den Mindestlohn dar. Nach dem Einstieg ist der Mindestlohn schrittweise soweit zu erhöhen, bis er ein Einkommen aus Vollzeiterwerbsarbeit oberhalb der Armutsgrenze (50 Prozent des durchschnittlichen Brutto-Lohns) ermöglicht.
Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden wird bei 9 Euro pro Stunde ein Brutto-Monatsentgelt von 1.500 Euro erreicht. Damit läge das Einkommen über der Armutsschwelle (gegenwärtig: 1.470 Euro pro Monat bzw. 8,80 Euro pro Stunde).
Die Höhe des Mindestlohns ist also entscheidend. Mit 8 Euro fordert nur DIE LINKE. einen gesetzlichen Mindestlohn in Existenz sichernder Höhe. Die SPD erwägt, wenn überhaupt, einen Mindestlohn von 6 Euro; CDU und CSU sprechen gar von 4,50 Euro, während die FDP Mindestlöhne gänzlich ablehnt. Die Grünen wiederum fordern eine Ausweitung des Entsendegesetzes sowie die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung. Mit diesen Vorschlägen würden zum einen tarifliche Armutslöhne, die zum Teil bei nur circa 4 Euro liegen, gesetzlich festgeschrieben werden. Beschäftigte in Branchen ohne Tarifabschlüsse würden zum anderen überhaupt nicht von solchen Regelungen erfasst.
Grüsse Jürgen Meyer