Wenn Ihr das meint, was ich unmittelbar nach der Grenzöffnung im Osten erleben durfte, dann war das kein ostdeutsches Phänomen, sondern der normale Zusammenhalt einer "Notgemeinschaft". Ich habe das Wort in Anführungszeichen gesetzt, weil ich es selbst nicht passend finde, mir fällt leider nichts passenderes ein. Ich will es aber nachfolgend erläutern.
Vor 30 bis 40 Jahren war auch im Westen zumindest auf dem Land noch ein ähnlicher Zusammenhalt vorhanden. Die Menschen haben sich gegenseitig unterstützt, weil sie nur so über die Runden kommen konnten. Man hatte sein Gemüse im eigenen Garten, man ging zusammen in den Wald um Brennholz zu schlagen, und viele dieser Tätigkeiten waren mit Gerätschaften verbunden, die sich nicht jeder leisten konnte. Man war also aufeinander angewiesen.
Der heute herrschende Wohlstand erlaubt es auch Menschen, die von ALG II leben, sich selbstständig über Wasser zu halten. Man hilft sich nicht mehr, sonder man versucht sich durch Statussymbole zu übertrumpfen.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie an meinem Haus das Dach gedeckt wurde. Es gehörte damals noch meiner Oma, ich war damals ca. 10 Jahre alt. Es gab keinen Aufzug und kein Gerüst. Statt dessen gab es so ungefähr 20 Nachbarn. Die Ziegel wurden von Hand zu Hand durch das Treppenhaus nach oben durchgereicht und zu einem ordentlichen Teil sofort aufgelegt.
Eine Baustelle in dieser Art wäre heute, rund 40 Jahre später völlig undenkbar.